Big Bands wieder gefragt

Totgesagte leben länger

Die Bigbands wurden schon Ende der 1940er Jahre als Auslaufmodell angesehen. Nichtsdestotrotz sind sie durch alle stilistischen Wandlungen des Jazz hindurch eine fixe Größe geblieben und erfreuen sich in den letzten Jahren wieder steigenden Zuspruchs.

Ihre Glanzzeit ist schon lange vorbei, die war in den 30er Jahren, als Swing und Popmusik eins waren und das Schlagwort vom "größten Musikgeschäft aller Zeiten" die Runde machte. Jede Tanzveranstaltung, die etwas auf sich hielt, holte eine Bigband auf den Bandstand. Namen wie Benny Goodman, Duke Ellington, Count Basie stammen aus jenen Jahren.

Mitte der 1940er endete der Boom freilich jäh - vor allem aufgrund der Verschlechterung der ökonomischen Bedingungen in den USA, die den Unterhalt großer Klangkörper erschwerten. Das Schlagwort vom großen Bigband-Sterben machte die Runde. 1946 gaben gleich acht der zehn renommiertesten Bigbands auf, darunter jene von Benny Goodman, Woody Herman, Harry James und Tommy Dorsey. Die handlichere Bebop-Combo - das Quintett Trompete/Saxofon/Klavier/Bass/Schlagzeug - avancierte zur neuen Parade-Besetzung.

Neu entdeckte Repräsentativ- und Nostalgie-Funktionen

Totgesagte leben länger. Obwohl in der Folge Rock'n'Roll und Pop dem Jazz einen Gutteil des Publikums abspenstig machten, haben die Bigbands weiterhin alle Stilwandlungen des Jazz begleitet, vom Bebop (Dizzy Gillespie) über Free-Jazz (Sun Ra), Jazzrock (Gil Evans) bis hin zur Postmoderne (Vienna Art Orchestra), wobei die traditionelle Besetzung von fünf Saxofonen, vier Trompeten, vier Posaunen und einer vierköpfiger Rhythmusgruppe naturgemäß vielfachen Veränderungen unterworfen wurde.

Von Popstars wiederentdeckt

Mit dem sukzessiven Aufstieg des Jazz zur Hochkultur fand in den letzten 20 Jahren die repräsentative Funktion der Bigband - immer öfter als "Jazzorchester" bezeichnet - wieder Beachtung. Wynton Marsalis' Lincoln Center Jazz Orchestra und das Orchestre National de Jazz seien als Beispiele genannt. Zudem wurde die Bigband - bzw. deren nostalgische Swing-Klischees - auch von Popmusikern neu entdeckt, die sich des Great American Songbook annahmen. Die Liste ist lang und reicht von Robbie Williams und Matthew Herbert über Paul Anka bis hin zu Nina Hagen.

Es sind aber noch immer die Jazzer, die die Akzente setzen: Aus dem Stapel der Neuerscheinungen seien die äußerst unterschiedlichen jazzorchestralen Statements von Wayne Bergeron, Charles Tolliver, der Mingus Bigband, der NDR Bigband unter Norbert Stein genannt.

Big-Band-Land Österreich

"Ich habe niemals daran gedacht, eines Tages eine eigene Big Band auf die Beine zu stellen. (...) Die organisatorische und finanzielle Verrücktheit, die eine derartige Band bedeutet, begeisterte mich nicht wirklich. (...) Nachdem ich allerdings erkannt hatte, dass ich meine Kompositionen für andere Bigbands gerne gut proben, öfter aufführen und sie eines Tages auch aufnehmen wollte, führte irgendwann kein Weg daran vorbei." So beschreibt der oberösterreichische Posaunist Robert Bachner, aktueller Hans-Koller-Preisträger für die "CD des Jahres", wie er anno 2005 etwas unverhofft doch zu einer Bigband kam.

Selbige hat mit "Moments of Noise" soeben ein hörenswertes Debüt vorgelegt - und fügt sich vorzüglich in die reiche heimische Bigband-Landschaft ein. Upper Austrian Jazz Orchestra, Jazz Big Band Graz, Lungau Big Band, Nouvelle Cuisine - so heißen einige der bedeutenden Großklangkörper Jazz-Österreichs, deren Flaggschiff, das Vienna Art Orchestra, anno 2007 mit einer von Mathias Rüegg komponierten, drei Abende füllenden Trilogie seinen 30. Geburtstag feiert. Ach ja, und auch Joe Zawinul, der Wödmasta aus Erdberg, legte kürzlich sein erstes Bigband-Opus vor. Tote sehen anders aus.

Hör-Tipp
Jazztime, Dienstag, 6. März 2007, 21:17 Uhr

Buch-Tipp
George T. Simon, "Die Goldene Ära der Big Bands", aus dem Amerikanischen übersetzt von Josef Horatschek, Hannibal-Verlag, 2004, ISBN 978-3854452430

CD-Tipps
Harry Connick jr., "Chanson du vieux carré", Marsalis Music, ASIN B000ICMFNK

Maynard Ferguson, "On A High Note", Universal, ASIN B000KP62SY

Joe Zawinul & WDR Big Band, "Brown Street", Intuition, ASIN B000ION5N2

Vienna Art Orchestra, "3", 3 CDs, Universal Music, erscheint am 30. März 2007