Die alltägliche Einsamkeit
Wär' sie nur ein Mann!
Einsamkeit hat viele Gesichter. Die Einsamkeit, mit der Frauen vielfach zu kämpfen haben, hat aber oft nur ein Gesicht: Rollenzuteilung. Und das geht quer durch alle Gesellschaftsschichten, von gekrönten Häuptern bis zur "Frau auf der Straße".
8. April 2017, 21:58
Infantin Margarita über ihr Leben
Es ist lange her, dass Velazquez' Margarita, die spanische Infantin, über ihr langweiliges Leben jammerte, mehr als 300 Jahre, und trotzdem ist es nicht lange her. Derartiges Frauenklagen. Selbst noch gut im Ohr. Mutter und Mutters Freundinnen. Die einen sagten zu mir, der Jungen: Tu was, lern was, schaff Dir ja kein Frauenleben!
Die anderen verbaten sich solch aufmüpfige Gedanken: Es ist schön, wie es ist; eine Familie kommt nicht aus ohne richtige Frau! Und meine "Ex"-Schwiegermutter - hätte ich tatsächlich geheiratet - zischte mir einst mit Nachdruck ins Gesicht (ich hatte Träume geäußert, die sie nicht als Frauenträume klassifizierte): Alles kann man nicht haben!!! Man? Er, aus einem Königshaus oder einfach irgendwER, kann höchstwahrscheinlich auch nicht alles haben, aber mehr Möglichkeiten hat er allemal.
Im Eisenkorsett der Geschlechterrolle
Was wiegt schwerer: Die Einsamkeit, weil jemand einsam ist, oder die Einsamkeit, weil jemand ins Eisenkorsett der Geschlechterrolle gesteckt wurde? Glauben Sie, es sei egal, warum genau jemand unglücklich ist? Oder glauben Sie, gegen hausgemachtes Unglück kann etwas getan werden? Wer tut? Wer lässt geschehen?
Warum haben sie sich nicht viel früher gewehrt gegen das Geschwür der Geschlechterrolleneinsamkeit: Infantinnen, Haus- und sämtliche Frauen aller Herren Länder? Insofern dürfte die Frage beantwortet sein...
Kontinuierliches Gegen-den-Strom-schwimmen erschöpft, treibt zurück ins Vielleicht-ist-die-Tradition-eben-doch-besser. So gehen manche wieder unter die Burka und beten zu Gott, und das Kopftuch soll auch nur religiöses Zeichen sein oder ein Modegag...
Geforderte Bescheidenheit
Bei jeder Radiosendung zum Thema Frauen, Kinder, Familie und dergleichen rufen bestimmt drei Frauen an und verlangen von sich und allen anderen Frauen - nennen wir es so - Bescheidenheit. Ich könnte auch Beschränkung sagen. Es rufen selbstverständlich genauso Männer an, die die Beschränkung des anderen Geschlechts verlangen, doch hat das immerhin eine gewisse Logik, nämlich die der Bequemlichkeit. Aber wenn Frauen einander und sich selbst in die Quere kommen? Was ist das? Gewohnheit? Gutstellerei? Späte Rache?
Unterm Wert geschlagen
Kindergärten, sodass Mütter Zeit für ihren Beruf haben, und zwar nicht nur für einen puren Broterwerb: Warum, zum Teufel, das arme Kind! Gleichstellungskommission und -diskussion: Das ist doch Schnee von gestern! Engagement gegen Benachteiligung und Ungleichgewicht: Was fordert sie da? Hat sie es etwa nötig?
Ich kenne zwar kaum Frauen, denen langweilig ist, weil sie zu wenig arbeiten, aber ich kenne genügend Frauen, denen langweilig ist, weil sie, unter ihrem Wert geschlagen, an Stellen und Positionen sitzen, denen sie entkommen würden, hätten sie die Wahl. Mit Geschwüren des Zorns und Frusts geschlagen und natürlich der Einsamkeit... Sie schlucken dann eben Tabletten gegen die Depression.
Hör-Tipp
Hörspiel-Studio, "Bildnis einer Infantin", Dienstag, 27. Februar 2007, 20:31 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
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