Sandra Kreisler & Roger Stein
Lieder von (der) Wortfront
Unter dem bewusst provokanten Titel "Lieder eines postmodernen Arschlochs" präsentieren Georg Kreislers Tochter Sandra und der Schweizer Musiker Roger Lieder und Texte gegen die Kälte der Großstadt und den Zeitgeist.
8. April 2017, 21:58
Ich sag' euch, wo es lang geht
Unter dem Titel "Lieder eines postmodernen Arschlochs" stimmen Sandra Kreisler und Roger Stein alias Wortfront kraftvolle Apelle gegen den zeitgeistbedingten Egoismus und Mainstream-integriertes Dasein an. Direkt ohne Umschweife und doch poetisch nähern sich die beiden dem Heute an und wagen es, auf Deutsch zu singen.
"Wir wollen eine Front für das Wort", so die beiden. "Wir hätten uns auch Wortlanze nennen können, aber das klingt doof! Wir wollen das Wort in der Musik wieder mehr nach vorne stellen. Das Wort und der Text spielen bei uns eine ganz zentrale Rolle und deswegen haben wir auch den Titel 'Wortfront' gewählt."
Aus den Fußstapfen treten
Obwohl Sandra Kreisler schon etliche Chanson-Abende mit dem Open Mind Quartett gestaltet hat - auch mit Liedern ihres Vaters - und in vielen Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen zu sehen war, ist sie in Österreich vornehmlich als Radiostimme und - kein leichtes Erbe - als Tochter des Kabarett-Doyens Georg Kreisler bekannt.
"Natürlich sagen ganz viele Leute, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters trete", so Kreisler, "komischerweise sagen ganz wenige Leute, dass ich in die Fußstapfen meiner Mutter Topsy Küppers trete, was ja mindestens genauso wahr ist. Das Interesse und die Liebe zum Chanson kommt vielleicht aus meiner Geschichte, aber dass ich es tun muss und dafür brenne, hat wenig mit meinem Vater und meiner Mutter zu tun."
Und Rogers Stein bekennt: "Für mich war es am Anfang eher schwieriger, wenn gleich die Frage nach dem Kreisler kam. Das ist ein Punkt, wo man sich abgrenzen muss."
Preis der deutschen Schallplattenkritik
Auch um endlich einmal den diversen Schubladisierungen zu entkommen hat sich Sandra Kreisler entschlossen, gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem Musiker Roger Stein, den Wohnsitz und vor allem den Inspirationsraum von Wien nach Berlin zu verlegen. Als Duo Wortfront haben die beiden das Großstadt-Chanson neu belebt und - wie die Zeitung "Der Standard" schrieb - so etwas wie "literarischen Hiphop" kreiert. Auf Anhieb erlangte ihr erstes gemeinsames Chanson-Programm und die dazugehörige CD "Lieder eines postmodernen Arschlochs" den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
Die Lieder eines postmodernen Arschlochs haben mit dem Leben in der Großstadt zu tun, mit den Auswüchsen der Zivilisationsgesellschaft und der Einsamkeit des Einzelnen. Sie erzählen witzig und bissig von Versagensängsten, Selbstüberschätzung und Kaltschnäuzigkeit in einer irgendwie aus den Fugen geratenen modernen Welt, aber auch von spielerischen Schlupflöchern, Nischen und Fluchtmöglichkeiten aus der kalten Realität.
Wie wir die Welt sehen
"Wir machen Zustandsbeschreibungen", sagt Kreisler, "so wie wir die Welt sehen, erfühlen, was wir in anderen Menschen sehen. Ich greife nicht mehr an, als jeder am Biertisch im Gespräch die Welt angreift." Und Roger Stein ergänzt: "Wir beschreiben die Zustände, unsere Ängste, unsere Wut, unsere Energie, unsere Liebe. All das ist natürlich drin, aber nicht als Protestsongs."
Notwendiger Wechsel nach Berlin
Die Texte und Kompositionen stammen vom Schweizer Roger Stein. "Die Franzosen sind ein gutes Vorbild", meint er, "denn durch ihrem Sprachfetischismus und ihre Chanson-Pflege schlucken sie sowohl Hip-Hop als auch moderne Chansons, die in die Elektro-Beat-Richtung gehen. Das alles ist bei ihnen ein Chanson. In Deutschland versteht man unter Chanson..." Sandra wirft ein: "Eine Frau im langen Nachthemd, hält sich am Klavier fest!" Roger weiter: "Da ist mir die Offenheit des französischen Chansons viel liebt. Da ist viel mehr eingeschlossen: Beats und auch Elektronik"
Roger Stein und Sandra Kreisler leben seit ein paar Jahren in Berlin und haben schweren Herzens auch die Wiener Broadway Bar zurückgelassen. In der Bar von Bela Koreny in der Wiener Innenstadt hat Sandra Kreisler gemeinsam mit Gerhard Bronner auch Kreisler-Lieder gesungen und hier haben Sandra Kreisler und Roger Stein ihre ersten gemeinsame Konzerten gegeben. Dennoch war ein Wechsel, besonders in künstlerischer Hinsicht notwendig.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 18. Februar 2007, 22:05 Uhr
CD-Tipps
Wortfront, "Lieder eines postmodernen Arschloch", Extraplatte
Wortfront, "Penetrant besinnlich", Extraplatte
Veranstaltungs-Tipps
Wortfront, 22. Februar, 1. und 2. März 2007, Rote Bar des Wiener Volkstheaters, 23. Februar 2007, Bühnenwirtshaus Juster in Gutenbrunn, 27. Februar 1007, Linzer Posthof, 28. Februar 2007, Grazer Orpheum
Links
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