Leben in Nobelherbergen

Menschen in Hotels

Für diese in Buchform verwandelte Liebeserklärung haben Tomas Niederberghaus und seine Mitautoren Hotelbenützer, Portiers, Zimmermädchen, Wagenmeister, Spione und berühmte Dauergäste, also: außergewöhnliche Menschen in bekannten Hotels porträtiert.

Tomas Niederberghaus hat nichts unversucht gelassen, um der "postmodernen Partyprominenten" Paris Hilton Interessantes über ihre Beziehung zu Hotels und damit Stoff für sein Buch zu entlocken. Er wusste, dass er die Summen, die sie für Interviews verlangt, weder bezahlen will noch kann, also verließ er sich auf seinen Mops. Doch der Schuss ging nach hinten los. Der zerknautschte Schosshund, extra aus Hamburg mitgereist, um Hiltons neuem Chihuahua die Zeit während des Gesprächs zu versüßen, verstand den Auftrag offenbar falsch und startete zu einer minutenlangen Hetzjagd auf das heftig bibbernde Erbinnen-Accessoire. Allzu viele druckreife Wortspenden waren danach aus der geschockten Miss Hilton nicht mehr zu erhalten. Weil das vielleicht auch wiederum ganz gut ist, gehört dieses Kapitel eindeutig zu den amüsantesten.

Nichts ist mehr wie es war

Natürlich handeln die meisten Kapitel von bezaubernden, alten, edlen Hotels und mit einer Träne im Knopfloch wird nachgetrauert, dass leider nichts mehr so ist, wie es einmal war. Reiche Leute sind heute nur noch Menschen mit viel Geld. Auf Benehmen, Stil und Etikette wird kein Wert mehr gelegt. Am eklatantesten sei dies zu beobachten, wenn diese Gäste mit viel Kapital, aber wenig Geschmack die minimalsten Kleidungsstandards eleganter Herbergen schlichtweg ignorieren. Da kann es durchaus vorkommen, dass stattliche Herren in Boxershorts, weißen Söckchen und Sandalen aus mit antikem Mobiliar und Seidentapeten verzierten Suiten schlapfen, in diesem wenig anmutigen Outfit über die Perserteppiche des Foyers stapfen, um dann an einem Tisch mit weißem Tuch und Silberbesteck Platz zu nehmen, um lauthals zu frühstücken. Niemand wird es verwundern, wenn es sich dabei um Amerikaner handelt.

Prinz Asfa-Wossen Asserate, dessen Knigge mit dem schlichten Titel "Manieren" zum Weltbestseller wurde, beklagt diesen Verfall am Beispiel des altehrwürdigen Ritz in Madrid und sehnt sich zurück nach dem gestrengen Hotelleiter Senor Georges Marquet, der noch bis in die 1960er Jahre massive Dämme gegen die ansteigende Flut der Gewöhnlichkeit errichtete. Selbst Herbert von Karajan und sein unvermeidlicher weißer Rollkragenpullover fanden keine Gnade.

Männer ohne Krawatte und Frauen in Hosen durften den Speisesaal nicht betreten. Im Lesezimmer wurde nicht getrunken und im Speisesaal nicht geraucht. Personnagen, die man nicht im Haus zu sehen wünschte, wurden als "NRT", "Not Ritz Type" bezeichnet. Marquet war aber auch imstande, Stammgäste, die an einem glutheißen Sommernachmittag nach dem Essen in einem Fauteuil der Halle eingenickt waren, aus dem Haus zu werfen.

Jedem seine eigene Macke

Der Regisseur Mike Figgis verbringt sein halbes Leben in Hotels. Das erste, was er dort macht: Glühlampen rausdrehen, Zierpolster unter dem Bett verstauen und eigene Fotos in die Bilderrahmen stecken. Sir Rocco Forte hortet Hotels. Der Mann aus den Abruzzen besaß in den 1990er Jahren bis zu einer feindlichen Übernahme die größte Hotelkette der Welt. Heute setzt er mehr auf Klasse statt Masse, konzentriert sich auf die allerschönsten und sammelt diese wie andere seltene Schmetterlinge: das Brown's in London, das Hotel de Rome in Berlin oder das Astoria in St. Petersburg.

Neben diesen ungewöhnlichen Charakteren sind es vor allem die "ganz normalen" Hotelangestellten, deren Geschichten berühren. Der Rezeptionist im Sheraton in Addis Abeba beschreibt seinen täglichen Weg von der Wellblechhütte ins teuerste Hotel Afrikas. Das Zimmermädchen im Reid's Palace auf Madeira lacht über die skurrilen Gäste, die nicht selten ob der unwirklichen Schönheit des Hotels einfach vergessen abzureisen. Und der Wagenmeister im Hotel Bayrischer Hof in München berichtet über sein mittlerweile über 40-jähriges Arbeitsleben im ersten Gang.

Er hat sie alle gehabt: Maserati, Jaguar und Porsche, Rolls-Royce und Bentley. Nur der Traum, die edlen Teile einmal über Schrittgeschwindigkeit zu fahren, wird für Heinz Nothdurft niemals Wirklichkeit. Zwölf-Zylinder-Motoren erlebt er nur knapp über Leerlaufdrehzahl. Für ihn bleibt das Wichtigste an einem Auto die Handbremse.

Unvergleichliche Atmosphäre

Die zahlreich bebilderten 16 Geschichten über und von "Menschen in Hotels" machen klar, dass Hotels mehr sind als bloße Übernachtungsstätten. Ob sie nun dort arbeiten oder schlafen, sie besitzen oder einmal besitzen werden, sie designen oder kritisieren, oder einfach nur hin und wieder die unvergleichliche Atmosphäre des Kommens und Gehens bei einem Tee in der Lobby genießen, eines eint die beschriebenen Menschen: Sie lieben das Hotelleben.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipps
Tomas Niederberghaus (Hg.), "Menschen in Hotels", Eichborn Verlag 2006, ISBN 978-3821857794

Asfa-Wossen Asserate, "Manieren", Eichborn Verlag, ISBN 3821847395

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