Märtyrer in den Weltreligionen

Blutzeugen des Glaubens

Das Wort Märtyrer bedeutet "Blutzeuge". Märtyrer gibt es in allen Weltreligionen. In den letzten Jahren hat der Begriff Märtyrer durch die Selbstmordattentäter im militanten Islam, aber auch bei den hinduistischen Tamil Tigers in Sri Lanka wieder Konjunktur.

Rüdiger Lohlker über das islamische Märtyrerbild

Kein Papst der Kirchengeschichte hat so viele Menschen selig beziehungsweise heilig gesprochen wie Johannes Paul II. Darunter waren viele Märtyrer, also Menschen, die als "Blutzeugen des Glaubens und der Liebe" ihr Leben geopfert haben. Johannes Paul II. hat durch die vielen Selig- und Heiligsprechungen die Verfolgung von Menschen aus religiösen Gründen in den Blick rücken wollen, die in unserer Zeit passieren.

Die ersten Märtyrer

Die frühesten Zeugen ihres Glaubens finden sich im Judentum, als die Ptolemäer das Gebiet von Israel erobert hatten und die Ausübung der jüdischen Religion unter Strafe stellten. Immer wieder hat es ab dem Mittelalter religiös motivierte Pogrome gegeben, Judenverfolgungen, die von Christen begangen wurden.

Jüdische Märtyrer haben dabei häufig Selbstmord begangen, da im Judentum jene Menschen durch Selbstmord zu Märtyrern werden, wenn sie gezwungen werden, gegen ihre Religion, etwa bei den Speisevorschriften, zu verstoßen. Auch die mehr als sechs Millionen Opfer des Holokaust gelten im Judentum als Märtyrer, als Blutzeugen des Glaubens.

Die Märtyrerverehrung

Das christliche Verständnis des Märtyrertums ist so alt wie das Christentum selbst. Im Zuge der Christenverfolgungen in der Antike ist der heutige Märtyrerbegriff entstanden. Jene, die sich standhaft zu ihrem Glauben bekannten und schließlich ihre Überzeugung mit dem Leben bezahlen mussten, wurden zu Märyrern.

Dort, wo die Gebeine der Märtyrer beigesetzt wurden, entstanden Kultorte, wahre Pilgerstätten. Als mit der Konstantinischen Wende im vierten Jahrhundert das Christentum zur Staatsreligion wurde, blieb die Märtyrerverehrung weiter lebendig.

Falsche Märtyrer

Im Islam gibt es einen Märtyrerbegriff, der besser mit shahid, was im arabischen "Glaubenszeuge" heißt, umschrieben wird. Denn Glaubenszeuge könne man, so heißt es im Islam, auf vielfältige Weise werden. Nicht nur durch das Glaubenszeugnis durch den Tod, sondern auch durch gute Taten, durch soziales Engagement.

In den vergangenen Jahren hat der Begriff Märtyrer im Islam wieder Konjunktur: Selbstmordattentäter bezeichnen sich im militanten Islam als Märtyrer. Aus diesem dem militanten Islam entspringenden Märtyrerbild dürfe man jedoch nicht verallgemeinern, so der Islamwissenschafte Rüdiger Lohlker. Was bei manchen extremistischen Muslimen als Martyrium bezeichnet wird, gilt für die überwiegende Mehrheit der Muslime glattweg als Mord. Die Diskussion über Gewalt und Religion sei jedoch heute notwendiger denn je.

Kämpfer für soziale Gerechtigkeit

Märtyrer gibt es aber auch bei den Sikhs - einer ihrer religiösen Führer, Guru Arjan, wurde auf Befehl des Mogul-Kaisers Jahangir Shah zu Tode gefoltert, und seither haben die Sikhs beschlossen, sich bei Angriffen auf ihren Glauben zur Wehr zu setzen.

Im europäischen Christentum sind die Märtyrer durch die vielen Seligsprechungen der vergangenen Jahre wieder sehr präsent, auch durch die vielen Patronate und Gedenktage. In der Befreiungstheologie in Lateinamerika sind Märtyrer jedoch allgegenwärtig und im Alltag tief verankert - als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit.

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Tao, Dienstag, 26. Dezember 2006, 19:05 Uhr

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