"Musik ist mir das Süßeste auf der Welt"
Robert Walser und die Musik
Vor 50 Jahren starb Robert Walser, der Dichter, der einen neuen Ton in der Sprache fand. Die Musik war gefährlich, wusste Walser, er hatte erfahren, was die Geburt der Tragödie aus der Musik bedeutete. Mozart war ein Lieblingsthema Walsers.
8. April 2017, 21:58
Anne Bennent liest Robert Walser
Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre und wenn ich Musik höre, fehlt mir erst recht etwas. Dies ist das Beste, was ich über Musik zu sagen weiß.
Robert Walser, geboren am 15. April 1878 als siebtes von acht Kindern in Biel bei Bern. Er war Bankbeamter, Diener, Gehülfe, Hilfsbuchhalter Schauspielschüler, Feuilletonautor, Patient. Er war ein Gehender, auch ein Gehender; berühmt sind die Fotos, in denen der Fotograf und Vormund Carl Seelig Walser nachsieht, seine Schritte im Schnee festhält, Fotos, auf denen Walser die Hände auf dem Rücken faltet, so wie es denkend Gehende von Beethoven bis Brahms getan haben.
Ein neuer Ton in der Sprache
Am berühmtesten ist das Bild des toten Walser im Schnee, ausgestreckt auf dem Rücken liegend, den Blick in den Himmel gerichtet. Vor 50 Jahren, am 25. Dezember 1956 starb Robert Walser, der Dichter, der einen neuen Ton in der Sprache fand.
Oft wenn ich im Sommer durch die heißen Straßen gehe und aus einem unbekannten Hause ein Klavier tönt, stehe ich still und meine, an dieser Stelle sterben zu sollen. Ich möchte im Anhören eines Musikstückes sterben, ich stelle mir das so leicht vor, so natürlich und doch ist es natürlich wieder unmöglich. Töne sind zu zarte Dolchstiche. Die Wunden von solchen Stichen brennen wohl, aber es ist kein Eiter in ihnen. Wehmut und Schmerz träufeln statt des Blutes hervor. Wie die Töne aufhören, ist alles wieder ruhig in mir.
Die Tragödie aus der Musik
Die Musik war gefährlich, wusste Walser, sie überspannte und überwältigte den hochbegabten Bruder und Walser hatte erfahren, was die Geburt der Tragödie aus der Musik bedeutete.
Musikhören mit Walser, der sich die Musikmachenden poetisch vergegenwärtigte, der die Musik ernst nahm, auch die Oper - seine Zauberflöten-Version geht schlecht aus, Pamina singt: "Ach, ich fühl's, es ist verschwunden, Ewig hin der Liebe Glück!"
Für viele der Wichtigste
Die in der Tat beinah schon überirdisch schöne Musik, die über den Körper dieser Oper hinzittert, als wäre das Werk eine schlummernde Göttin und seine Musik ihre Gewandung, vermittelt mir viele tausend, wie ich glauben möchte, unverlierbare Eindrücke, die ich in ihrer prächtigen Gesamtheit als eine Schatz betrachte. Innerhalb der Möglichkeit , die die Gesetze der Bühne zuließen und die kurzbemessene Theaterabendzeit erlaubte, ist da der Roman des Lebens des Lebens, alles Freudige uind Schwere wie Blumen aus einem Füllhorn herausgeschüttet worden. Wie überzeugend tönt das verzeihende Versöhnen speziell aus dem Bildungsbemühen Mozarts. Wir vergessen aber eben alles.
Für viele - Elfriede Jelinek etwa - war er der Wichtigste. Elias Canetti nannte ihn den "Verdecktesten aller Dichter". Mozart war ein Lieblingsthema Walsers, verdichtet und gezeichnet in seinen Mikrogrammen. Das Schreiben kam aus dem Zeichnen, das Dichten aus dem Hören, er lieh sich selbst sein Ohr.
Ich spiele auf der Laute Erinnerung. Sie ist ein geringfügiges Instrument mit nur immer ein und demselben Klang. Dieser Klang ist bald lang, bald kurz, bald träge, bald hurtig. Er atmet in ruhigen Zügen, oder er setzt in einem hastigen Sprung über sich selbst hinweg. Er ist traurig und lustig. Das Sonderbare ist nur, dass, wenn er schwermütig klingt, er mich lachen macht, dass wenn er lustig ist und springt, ich dabei weinen muss. Gab es jemals solchen Ton?
Mehr zu Mozart 06 in oe1.ORF.at
Hör-Tipps
"Musik ist mir das Süßeste", Irene Suchy zum 50. Todestag von Robert Walser, es liest Anne Bennent, Sonntag, 24. Dezember 2006, 13:10 Uhr
"Auf ins Allerlei!", Montag, 25. Dezember 2006, 08:15 Uhr
Buch-Tipps
Ulrich Mosch (Hg.), "Paul Sacher - Facetten einer Musikerpersönlichkeit", Schott 2006 (Publikationen der Paul Sacher Stiftung 11), ISBN 3795704545
Robert Walser, Gesamtausgabe, Suhrkamp
Links
Robert Walser Archiv
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006