Der sympathischste Faulpelz der Weltliteratur
Oblomov
Er ist ein Relikt der überholten feudalen Gesellschaftsklasse im "neuen" Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts: der adelige Gutsbesitzer Oblomov. Passiv und entschlusslos hängt er Ideen nach, zu deren Verwirklichung er sich nicht aufraffen kann.
8. April 2017, 21:58
Als 1859 der Roman "Oblomov" von Iwan Gontscharow erscheint, erregt er großes Aufsehen und wird sofort ein Riesenerfolg. Denn mit Ilja Iljitsch Oblomov, der Titelfigur, hatte Gontscharow einen jungen Gutsbesitzer in den Mittelpunkt gestellt, dessen Lebenszentrum das Bett ist und sein wichtigstes Kleidungsstück der Schlafrock.
Oblomov ist ein Relikt des feudalen Adels, der im beginnenden Frühkapitalismus an Bedeutung verliert und vom bürgerlichen Geldadel abgelöst wird. Passiv und entschlusslos hängt er Ideen nach, zu deren Verwirklichung er sich nicht aufraffen kann.
Liebe versus Lethargie
Nur für kurze Zeit erwacht Oblomov aus seiner Trägheit, als ihn Olga durch ihre Liebe aus seiner Lethargie reißen möchte. Doch unentschlossen, bequem und gleichgültig wie er ist, verliert er ihre Liebe. Olga heiratet schließlich Oblomovs Freund, den zupackenden und tüchtigen Geschäftsmann Stolz.
Oblomov, in seine alte Bequemlichkeit zurückgefallen, wird schließlich das Opfer von vorgeblichen Wohltätern und Freunden, die ihn ausnützen. Trotz klarer Einsicht in ihre Niedertracht wehrt er sich nicht, sondern steuert sehenden Auges seinem Untergang zu.
Oblomov, die zweifellos faulste Figur der Weltliteratur, wurde so populär, dass das russische Wort "Oblomovschtschina" - "Oblomoverei" zur Charakterisierung gelangweilten Müßiggangs in den russischen Wortschatz Eingang gefunden hat.
Realist Gontscharow
Sein Schöpfer, Iwan Gontscharow, am 18.Juni 1812 geboren, war der Sohn eines reichen Kaufmanns. Nach einem Literatur-Studium trat er 1834 in den Staatsdienst ein und war von 1835 bis 1852 Beamter des Finanzministeriums in Sankt Petersburg. Er unternahm eine ausgedehnte Weltreise, die ihn unte anderem nach Schweden, England, Korea, China und Japan führte.
1855 nach Sankt Petersburg zurückgekehrt, arbeitete Gontscharow zunächst als staatlicher Zensor und ab 1865 als Beamter der obersten Pressebehörde. Zwei Jahre später zog er sich aus dem Staatsdienst zurück und widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei. Iwan Gontscharow starb am 27. September 1891 in Sankt Petersburg und zählt - neben Leo Tolstoj, Fjodor Michailowitsch Dostojewski und Iwan Turgenjew zu den bedeutendsten russischen Realisten des 19. Jahrhunderts, und sein Roman "Oblomov" zu den Meisterwerken der russischen Literatur.
Der österreichische Autor Helmut Peschina, der bereits etliche Klassiker der Weltliteratur für das Hörspiel bearbeitet hat, etwa "20.000 Meilen unter den Meeren" von Jules Verne, "Hotel Savoy" von Joseph Roth, "Bel Ami" von Guy de Maupassant oder "Rot und Schwarz" von Stendhal, hat auch den Roman "Oblomov" als bewegenden Hörspiel-Dreiteiler adaptiert.
Hör-Tipp
Oblomov Teil 1-3, Sonntag, 24. bis Dienstag, 26. Dezember 2006, 14:05 Uhr
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