Musikalischer Chronist des 20. Jahrhunderts
Ernst Krenek
Mit "Jonny spielt auf" ist Ernst Krenek einer der kurzlebigen Opern-Riesenerfolge der 1920er Jahre gelungen. Krenek, geboren 1900, ist auch künstlerisch "mit dem Jahrhundert gegangen". Am Freitag jährt sich Ernst Kreneks Todestag zum 15. Mal.
8. April 2017, 21:58
Ernst Krenek: aus "Das geheime Königreich"
Ernst Krenek "ging mit dem Jahrhundert", dem 20.: Von den Lebensdaten her - 1900 bis 1991 -, als wacher, unbequemer, sensibler Chronist seiner Zeit, mit dem scharfen Intellekt des Karl-Kraus-Bewunderers, im seinem "Nebenberuf" als Schriftsteller, aber auch in seinem Haupt-Metier, als Komponist.
Hier hat Ernst Krenek eine in die Hunderte gehende Zahl von Werken hinterlassen, die die stilistischen Volten der Moderne teils mitschlagen, teils kommentieren.
Das "Jonny"-Missverständnis
"Ich gab den Andern immer Schuld, wo meine Unkraft allein Schuld war. Ich floh vor mir und vor dem Leben, und sind doch in mir alle Ströme vereint, die die Welt lenken, wie ich sie haben will." Mit diesen Worten schickte Ernst Krenek 1929 einen Komponisten auf die Opernbühne: den Max in "Jonny spielt auf".
"Jonny" war als "Jazz-Oper" ein Sensationserfolg für wenige Jahre, der Krenek vollends berühmt machen sollte, gab einer Zigarettenmarke den Namen - und der späteren NS-Propaganda-Ausstellung "Entartete Musik" das "Logo".
Gegen Jazz-Etikettierung
Typisch für Kreneks Persönlichkeit, dass er dem Erfolg misstraute, gerade "Jonny spielt auf" als Dirigent seiner eigenen Werke links liegen ließ und nicht müde wurde, zu betonen, wie falsch die Jazz-Etikettierung doch war: Die amerikanische Unterhaltungsmusik der Zeit, von Schellacks gehört, hatte die Oper beeinflusst, in Kreneks Augen aber nur am Rande. Im Zentrum für ihn: die Künstler-Thematik und die Frage, wie man sein Leben leben soll.
Philosophieren auf der Opernbühne
Wie kann der Mensch die Freiheit gegen die Apostel der Unfreiheit verteidigen, ohne selbst unfrei zu werden? Mit welchen Mitteln darf er kämpfen, ohne den Widersachern der Freiheit gleich zu werden? In Richtung dieser Fragestellung verschob sich Kreneks Interesse nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs.
Der Philosoph Sokrates trägt Kreneks Gedanken vor - in der Oper "Pallas Athene weint", Kreneks Opern-Hauptwerk der 1950er Jahre. So wie in den wilden, experimentierfreudigen 1920er Jahren ging Ernst Krenek auch jetzt wieder mit der Zeit, öffnete sich dem Schönberg- und Webern-Stil, danach sogar der elektroakustischen Musik, immer auf der Suche nach Neuem.
Geliebt und gehasst: Kreneks Wien
Dazwischen liegt Kreneks restaurativ-tonale Phase, mit dem viel gehörten, oft versöhnlich-romantisch tönenden "Reisebuch aus den österreichischen Alpen" im Mittelpunkt. Auch die Geschichte verhandelnde, aber die Gegenwart meinende Historien-Oper "Karl V." stammt aus den 1930er Jahren, Direktor Clemens Krauss hat sie für die Wiener Staatsoper in Auftrag gegeben, dann aber nicht zur Uraufführung gebracht. Eine Intrige mit politischem Hintergrund, die den Komponisten bereits ahnen ließ, dass seine an Kaiser Karl angelehnte Phantasie eines friedlich geeinten Europa Schimäre bleiben würde.
Wie im heurigenseligen Wien in Scheinidylle und Korruption großdeutsche Sehnsüchte blühen und allmählich Nazi-Phrasen einsickern, hielt Ernst Krenek dann vor seiner Emigration in die USA noch in einem anderen musikalischen Bühnenwerk fest: "Kehraus um St. Stephan". Ein wienerisches Pandämonium, das in seiner beißend präzisen Zeichnung einer Fülle an Wiener Menschentypen der Zwischenkriegszeit den Karl-Kraus-Schüler Krenek, der (wie zumeist) hier auch sein eigener Textdichter war, erkennen lässt.
Kreneks Autobiografie
"Im Atem der Zeit" ist Kreneks 1952 niedergeschriebene Autobiografie übertitelt. Den Geist der Zeit atmen alle seine Opern, auch die frühe, expressionistische "Orpheus und Eurydike"-Vertonung, für die Oskar Kokoschka das wortgewaltige Libretto lieferte, auch die späte, eben erst für CD wieder entdeckte "Sardakai", die rund um 1970 ihr Spiel mit Motiven aus Mozarts "Cosi fan tutte" trieb.
Es gibt beinahe Veristisches in Kreneks Oeuvre - die Kurzoper "Der Diktator" -, es gibt Verrätselt-Märchenhaftes mit "Zauberflöten"-Anklängen wie "Das geheime Königreich". Auf dass vielleicht Ernst Kreneks bittere Lebensbilanz doch einmal widerlegt wird: "Sie würden mich nie akzeptieren, welche Anstrengungen ich auch unternehmen mochte. Sie wollten mich eben nicht, und sie wollen mich bis heute nicht."
Hör-Tipp
Ernst Krenek: "Karl V.", Donnerstag, 24. Juli 2008, 19:30 Uhr
Link
Ernst Krenek Institut Privatstiftung