Die WHO im Kampf gegen Malaria

Die Rückkehr des DDT

Im Kampf gegen Malaria und andere durch Insekten übertragene Krankheiten setzt die Weltgesundheitsorganisation plötzlich wieder auf das lange geächtete DDT - sehr zum Unmut zahlreicher Entwicklungsexperten und Umweltschützer.

Warum plötzlich wieder DDT?

Eine halbe Milliarde Menschen erkranken jedes Jahr an Malaria; ein bis zwei Millionen sterben daran - zu 90 Prozent Kleinkinder in Afrika. Allein in Tansania gehen jährlich 80.000 Kinder unter fünf Jahren an dieser Infektionskrankheit zugrunde.

"Jetzt ist aber Schluss“, sagt die Weltgesundheitsorganisation und empfiehlt wieder Sprühaktionen mit dem lang geächteten DDT. Die Folge: weltweite Proteste bei Entwicklungsexperten und Umweltschützern.

Ein Plädoyer für DDT

"Wir müssen die Malaria aggressiv bekämpfen. Eine unserer wirksamsten Waffen dabei ist das Besprühen von Wohnräumen mit dem Insektizid DDT. Äthiopien, Eritrea und Südafrika, Swaziland, Namibia und Mosambik haben damit über viele Jahre gute Erfahrungen gemacht. Ausgedehnte Forschungen haben ergeben, dass das sachgerechte Versprühen von DDT in Häusern weder dem Menschen noch der Umwelt schadet.“

Mit diesen Worten traten unlängst in Washington hohe Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO vor die Presse. Die Erklärung schlug bei Entwicklungsexperten und Umweltschützern wie eine Bombe ein. Wütende Proteste folgten. WHO-Mann Pierre Guillet jedoch versteht die Aufregung nicht. DDT, sagt er, sei nun mal - sachgerecht versprüht - das wirksamste und billigste Mittel, afrikanische Kinder vor dem Malariatod zu bewahren.

Umweltschützer ideologisch fixiert

Einmal Sprühen mit DDT statt dreimal mit anderen Mitteln sei nicht nur billiger, sondern in afrikanischen Dörfern auch leichter durchzusetzen. Hinzu komme, dass DDT - zumindest in Afrika - weniger anfällig für Resistenzen als andere Insektizide sei. Seit 50 Jahren suchten Legionen kritischer Wissenschaftler nach krank machenden Effekten von DDT und hätten fast nichts gefunden, reagiert der WHO-Mann auf die seit Jahrzehnten orchestrierte Panikmache ideologisch fixierter Umweltschützer.

Auch einer der weltweit führenden Malariaforscher, der britische Medizin-Professor Chris Curtis bestätigt, dass zum Beispiel Krebs oder Entwicklungsstörungen im Zusammenhang mit DDT nie bewiesen worden seien. Im Ergebnis - so Curtis - überwiege der nachgewiesene Nutzen von DDT bei weitem jede auch nur vermutete Gesundheitsgefährdung. Vielfach eingesetzte Malaria-Medikamente wie etwa Chloroquin hätten ungleich ernstere Nebenwirkungen; auch seien die meisten Alternativen zu DDT zwar schneller abbaubar, dafür aber weit giftiger.

Gegner fordern Phasing out

Entschiedene Gegnerin der WHO-Empfehlung ist hingegen Ingrid Hoven vom deutschen Entwicklungsministerium. Es gebe zwar Fälle, wo man DDT sehr gezielt und kontrolliert punktuell einsetzen könne, aber dass das toxisch wirkende DDT mit seiner Langzeitwirkung auf Mensch, Tier und Umwelt schädlich sei, stehe außer Frage. Sie fordert ein "Phasing out", den möglichst raschen Ersatz des DDT durch umweltverträglichere Alternativen, wie es im Stockholmer Abkommen vorgeschrieben sei: "Wir setzen auf Politikberatung, auf die Versorgung von Malariakranken und auf die Finanzierung alternativer Substanzen."

Die WHO bagatellisiere. Außerdem sende sie verheerende Signale nach Afrika, klagt die deutsche Beamtin weiter. Dorfbewohner würden dazu animiert, auf versprühtes DDT zu vertrauen und die mühsam eingeführte Nutzung von Moskitonetzen wieder aufzugeben. Internationale Umweltorganisationen wie Greenpeace und das Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN äußern sich ähnlich; auch beim UN-Umweltprogramm UNEP braut sich - so berichten Insider - Einiges gegen die WHO zusammen.

Moskitos sind nicht blöd

"Das Problem ist, dass Afrika nicht nach den Wunschvorstellungen Genfer WHO-Bürokraten funktioniert“, protestiert auch Paul Saoke, keniatischer Leiter einer ökologisch engagierten Ärzteinitiative. Es sei schlicht falsch zu glauben, in einer Hütte versprühtes DDT klebe ohne Auswirkungen auf die Umwelt an den Wänden. Ein Gutteil gerate schon beim Versprühen in die Umwelt. Außerdem sei DDT nicht besonders effizient: "Die Moskitos sind nämlich nicht blöd. Wenn sie sehen, dass an den Wänden zu sitzen ihrer Gesundheit schadet, verziehen sie sich halt ins Gras der Dächer."

Saoke spricht auch über den sorglosen Umgang mit allen möglichen Giften in Afrika, etwa über fehlende Schutzanzüge, über Schwarzhandel mit verbotenen Substanzen oder über Altlasten. Dies bestätigt der Chemiker Jamidu Katima aus Tansanias Hauptstadt Daressalam: "50 Kilometer außerhalb Draessalams liegt ein großes Lager obsoleten DDTs. Das dafür zuständige African Stockpiles Project der UNO kümmert sich aber nur um die Pestizide, nicht aber um den verseuchten Boden im Lager und seiner Umgebung."

Alarmstufe rot für die Landwirtschaft

"DDT in irgendeiner Form wieder zu erlauben, heißt 'Alarmstufe rot' für unsere exportierende Landwirtschaft“, sagt Paul Saoke. Die USA und die EU haben nämlich für ihre Nahrungsmittelimporte extrem strenge DDT-Grenzwerte festgelegt:

"Wenn wir DDT einsetzen, werden wir es bald in unserem Mais finden, in der Milch, überall. Dies auch deshalb, weil wir über keinerlei Mittel verfügen, das Vagabundieren von DDT in Wirtschaft, Umwelt und Nahrungskette zu kontrollieren. Grünes Licht für DDT wird folglich die exportierenden Landwirte der Region wie ein Dammbruch treffen - zum Beispiel 80 Prozent der ugandischen Kaffeebauern. Wenn deren Markt kollabiert, leidet die ganze Wirtschaft Ugandas."

Resistenzgefahr und Kostenfrage

Der Brite Chris Curtis sieht angesichts der wachsenden Resistenz der Anopheles-Mücke gegen präventiv eingesetzte Insektizide auch die weitere Finanzierung gefährdet: "Wir müssten in dem Fall sehr bald das Insektizid, mit dem wir die Netze imprägnieren, wechseln. Aber wer soll das bezahlen?“ Auch WHO-Mann Pierre Guillet beklagt, dass reiche Staaten und die Pestizidindustrie viel zu wenig Geld in neue Mittel investieren. Mehr Entwicklungsgelder für die Malariaforschung fordert auch WHO-Kritiker Manfred Krautter von Greenpeace:

"Es ist schon traurig zu sehen, dass unsere Pharmakonzerne in die Entwicklung von Schlankheitspillen Milliarden investieren, aber jährlich bisher weltweit gerade mal 100 Millionen für die Entwicklung von Malaria-Impfstoffen zur Verfügung stehen." Mit irgendwelchen Urchemikalien aus der Chlorchemie zu versuchen, das Nötigste irgendwie zu richten, rücke jedenfalls die Pharmaindustrie in ein schlechtes Licht, so Krautter.

Mehr zu Pestiziden in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Mittwoch, 22. November 2006, 18:25 Uhr

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Links
Wikipedia - Stockholmer Konvention
Europäische Kommission - REACH
GTZ - Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit
ILO -Internationale Arbeitsorganisation
PAN - Pesticide Action Network
WHO - Weltgesundheitsorganisation
FAO - Welternährungsorganisation
Greenpeace