Eine schwierige Situation
Widersprüchliche Gerichtsurteile
Dass juristische Entscheidungen für Laien nicht immer nachvollziehbar sind, ist nichts Neues. Es ist aber die Frage nach der Widersprüchlichkeit zweier Urteile des Obersten Gerichtshofes aus diesem Jahr, die eine heftige Diskussion entfacht hat.
8. April 2017, 21:58
Die Frage nach der Widersprüchlichkeit zweier Urteile des Obersten Gerichtshofes aus diesem Jahr hat eine heftige und polarisierende Diskussion entfacht.
Ein behindertes Kind
In einem Fall kam vor einigen Jahren ein Kind mit einem zusätzlichen Chromosom 21 zur Welt. Dieses Down-Syndrom-Kind bleibt sein Leben lang geistig und körperlich behindert.
Die Mutter war während der Schwangerschaft regelmäßig bei Vorsorgeuntersuchungen. Bei einer solchen Ultraschalluntersuchung im vierten Schwangerschaftsmonat fand der betreuende Gynäkologe Auffälligkeiten. Er überwies die werdende Mutter daraufhin in eine Risikoambulanz. Als die Frau allerdings erst zwei Monate später diese Spezialambulanz aufsuchte wurde schließlich endgültig festgestellt, dass das Kind behindert sein würde.
Für einen Schwangerschaftsabbruch war es dann allerdings schon zu spät. Die Eltern des Kindes klagten. Im März dieses Jahres entschied der Oberste Gerichtshof, dass der betreuende Arzt den kompletten Unterhalt das gesamte Leben lang dieses behinderte Kindes zahlen muss, da er nicht ausführlich genug beraten und nicht nachdrücklich genug auf die Notwendigkeit der Abklärung in einer Risikoambulanz hingewiesen hätte.
Ein ungewolltes Kind
In dem zweiten angesprochenen Fall ließ sich ein Mann durch operative Durchtrennung der Samenleiter sterilisieren. Es trat ein, was in 0,04 Prozent der Fälle eintritt: die Samenleiterenden wuchsen wieder zusammen, die Partnerin des Mannes wurde schwanger und ein gesundes Kind kam zur Welt.
Auch diese Eltern klagten. Aber hier kam der Oberste Gerichtshof im September dieses Jahres zu dem gegenteiligen Schluss. Die Begründung dafür war, dass ein gesundes Kind kein Schaden sein kann.
Die Begründungen der Urteile
Mehrkosten entstehen wohl in beiden Fällen für die Eltern. Im ersten, weil ein behindertes Kind teurer ist als ein gesundes, und im zweiten, weil es teurer ist ein Kind großzuziehen, als es zu lassen.
Bedeutet der Schluss, dass ein gesundes Kind kein Schaden sein kann etwa, dass ein behindertes Kind sehr wohl ein Schaden für die Eltern ist? Kann ein Arzt dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ein Patient seine Empfehlung nicht befolgt? Wie viel Verantwortung hat der Patient für sich selbst bzw. in diesem Fall für ein Ungeborenes?
Die medizinischen und rechtlichen Auswirkungen dieser beiden Urteile für werdende Mütter und ihre betreuenden Ärzte sollen in dieser Sendung diskutiert werden.
Zu Gast sind Prof. Dr. Peter Husslein, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien, Dr. med. Walter Dorner, Präsident der Ärztekammer Wien und Dr. jur. Harald Bisanz, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien
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- Wie genau muss ärztliche Beratung und Aufklärung sein?
- Sollen die Mehrkosten, der immer ausführlicherer und nachdrücklicherer Aufklärungen, von der öffentlichen Hand bezahlt werden?
- Wird ab jetzt jede Schwangerschaft zu einer Risikoschwangerschaft, weil die betreuenden Ärzte Angst vor einer Klageflut haben?
Mehr dazu in der Online-Infomappe
Hör-Tipp
Radiodoktor, Montag, 20. November 2006, 14:20 Uhr
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