Was haben Bach und Mozart gemeinsam?

Johann Christian Bach

Ein Musiker hat Wolfgang Amadeus Mozart 1764 während seines Aufenthalts in London besonders beeindruckt: Johann Christian Bach. Der Achtjährige war begeistert von Bachs Musik, vom "filo", dem nie abreißenden melodischen Faden.

Aus Bachs "Adriano in Siria", von Mozart umgeschrieben

1764, die Mozarts auf der Reise nach London. "Wer zu viel Geld hat", schreibt Leopold Mozart in einem Brief, "darf nur eine Reise von Paris nach London unternehmen, man wird ihm gewiss den Beutel leichter machen."

Ein Musiker wird Wolfgang Amadeus Mozart in London besonders beeindrucken: "der Londoner Bach", Johann Christian Bach.

Ein Sohn des Thomaskantors wird flügge

1735 geboren, war Johann Christian von allen Mitgliedern der Bach-Familie der kosmopolitischste, der stilistisch wandlungsfähigste und der in seiner Zeit auch berühmteste. Gründliche musikalische Ausbildung erhielt er von Vater Johann Sebastian Bach, bei dem er die ersten 15 Jahre seines Lebens verbrachte. Danach blieb er bis Anfang 20 in Berlin bei seinem Bruder Carl Philipp Emanuel Bach, der dafür sorgte, dass Johann Christians Horizont sich erweiterte und er vor allem mit der Oper in Berührung kam.

Es folgten sieben Jahre in Italien, und was dort geschah, wurde noch lange mit "ah"s und "oh"s quittiert: Johann Christian trat vom protestantischen Glauben zum katholischen über, was nur pragmatisch war, wenn ein deutscher Komponist in Italien Aufträge haben wollte. Für die in Deutschland verbliebene Familie war er ab dem Zeitpunkt so etwas wie ein verlorener Sohn.

Nach Italien der Oper wegen

Einiges hat sich ereignet in Johann Christians Zeit in Italien: Er ging zum berühmten Lehrer Padre Martini nach Bologna, fand in einem Mailänder Adeligen einen generösen Geldgeber und schlitterte allmählich ins Opern-Komponieren hinein. "Artaserse", Turin 1761, "Catone in Utica", Teatro San Carlo, im gleichen Jahr, und dann für Neapel auch noch "Alessandro nell'Indie" - das waren seine ersten abendfüllenden seria-Opern.

Bei einer dieser Premieren hatte auch Johann Christian Bach schon mit dem deutschen Tenor Anton Raaff zu tun, der uns speziell bei Mozarts "Idomeneo" begegnet - und gerade Bachs kurze Tenor-Opernarien könnte man manchmal mit denen des jüngeren Mozart verwechseln.

Karrierehöhepunkt London

Direkt von Neapel wurde Johann Christian Bach 1762 nach London wegengagiert, ans King's Theatre, wo er bis zu seinem Tod eine ideale Plattform für sein Wirken finden sollte. In London wurde Johann Christian richtig berühmt, kein Wunder, dass es für ihn den Kurz-Namen "Der Londoner Bach" geben sollte. Auch spätere Opernaufträge aus Mannheim und Paris ließen ihn England nicht untreu werden.

Nur ganz zuletzt - Johann Christian Bach starb mit nur 46 Jahren - musste er es erleben, dass sein Stern in der Gunst des Londoner Publikums etwas sank: 1782; Wolfgang Amadeus Mozart fand sehr berührende Worte, und wusste auch stets, wie sehr er musikalisch von Johann Christian Bach profitiert hat.

Musikalische Gemeinsamkeiten

Der acht Jahre alte Wolfgang Amadeus Mozart traf in London 1764 also auf den 29-jährigen Bach-Sohn. Alfred Einstein, ein älterer Mozart-Forscher, formuliert es etwas pathetisch so: Es wäre das "Nord-Südliche" in Bach gewesen, das den jungen Mozart so fasziniert hätte - noch ehe er selbst nach Italien kommen sollte. Und tatsächlich - speziell Mozarts so genanntes "singendes Allegro" findet sich schon bei Bach.

Mozart selbst hat an Bach einmal den "filo" gerühmt, den nie abreißenden melodischen Faden, der aber doch mit Leichtigkeit geknüpft wird. Dass es bei Mozarts und Bachs Opern Titel-Ähnlichkeiten gibt, ist die eine Sache (sie hat mit den von beiden Komponisten verwendeten Pietro-Metastasio-Libretti zu tun); dass Mozart manchmal bewusst von Bach vertonte Texte noch einmal in Musik setzt, eine andere.

Gemeinsames musikalisches Vokabular?

Ich habe die aria non so donde viene etc., die so schön vom Bach componiert ist gemacht, aus der ursach, weil ich die vom Bach so gut kenne, weil sie mir so gefällt und immer in Ohren ist; denn ich hab versuchen wollen, ob ich nicht ungeachtet diesen allen im stande bin, eine Arie zu machen, die derselben vom Bach gar nicht gleicht? - sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich.
(Mozart in einem Brief)


Mit dem erwähnten Werk - heute KV 294 - hat Wolfgang Amadeus Mozart noch in Mannheim bei Aloysia Weber für sich Stimmung machen wollen. Für Aloysia schrieb Mozart zur selben Zeit auch zu einer Arie aus Johann Christian Bachs "Adriano in Siria" zwei Varianten mit unterschiedlich drastischen Verzierungen der Singstimme nieder. Für die Mozart-Forschung ergibt das ein hoch interessantes Dokument, aus dem - wer will - ableiten kann, wie weitgehend Mozart einer Ornamentierung auch seiner eigenen Gesangsmelodien zugestimmt hätte - vielleicht … Johann Christian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart - zwei Generationen, ein gemeinsames musikalisches Vokabular.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 16. November 2006, 15:06 Uhr

Links
Wikipedia - Johann Christian Bach
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006
New Crowned Hope
Mozart 2006 Salzburg