Über den langjährigen Streit um die Sojabohne
Gentechnik durch die Hintertür
Vor zehn Jahren wurden erstmals gentechnisch veränderte Sojabohnen nach Europa importiert. Der Streit um die grüne Gentechnik wird seither sehr emotional geführt. Österreich gilt bis heute als gentechnikfrei. Doch es gibt Hintertüren.
8. April 2017, 21:58
Pro und Contra Gentechnik
Zwar ist Österreich gentechnikfrei, was den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen betrifft. Aber über tierische Futtermittel gelangt Gentechnik auf unsere Teller, denn Nutztiere werden mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert.
Der Auslöser
Vor zehn Jahren gelangte die grüne Gentechnik in Gestalt der Sojabohne nach Europa: Im Hamburger Hafen lief ein Schiff mit einer Ladung gentechnisch veränderter Sojabohnen ein.
Umweltaktivisten blockierten daraufhin die Ladung. Das war der Auftakt für die Antigentechnik-Kampagne in Europa.
Die Argumente der Gegner
Seit damals gehen die Argumente der Gegner in Richtung gesundheitliche Bedenken - die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sei bis heute viel zu wenig erforscht. Aber auch die ökologischen Auswirkungen werden immer wieder mit Sorge betrachtet, etwa weil gentechnisch veränderte Pflanzen den Bioanbau zunichte machen - alle Felder im weiteren Umkreis weisen nach kurzer Zeit Rückstände von gentechnisch veränderten Organismen auf; die so genannte Koexistenz hat sich als unmöglich erwiesen.
Weitere Bedenken betreffen die negativen Auswirkungen auf Insekten und andere Pflanzenarten, denn grüne Gentechnik stellt einen beträchtlichen Eingriff in die Natur dar, wie Umweltschützer betonen.
Risikoforschung forcieren
Insgesamt wird immer wieder eine bessere Risikoforschung gefordert. Das Umweltbundesamt fand in jüngst publizierten Studien heraus, dass die EU-Zulassungsverfahren, die große Konzerne wie Pioneer und Monsanto bei der EU-Behörde durchlaufen, unsicher und mangelhaft sind.
"Die vorgelegten Studien basieren auf reinen Annahmen anstatt auf wissenschaftlichen Daten, so Helmut Gaugitsch, Biochemiker und Gentechnikexperte im Umweltbundesamt. "Die Untersuchungen, sowohl was die ökologischen, als auch was die gesundheitlichen Auswirkungen betrifft, sind verbesserungswürdig.
Das Umweltbundesamt fordert von der EU-Zulassungsbehörde genormte strenge Verfahren mit höheren wissenschaftlichen Standards, etwas die Risiken betreffend Allergologie und Toxikologie. "Derzeit sind gentechnisch veränderte Produkte im Umlauf, die nicht sicher sind, meint Helmut Gaugitsch als Fazit der Studien.
Ungleiche Forschungsfinanzierung
Werner Müller, Risikoforscher bei der Umweltschutzorganisation Global 2000, fordert eine unabhängige Risikoforschung auf Österreichs Universitäten. Diese fände derzeit nicht statt. Finanziert würden nur kleine Projekte, während bedeutende finanzielle Mittel in die Weiterentwicklung der grünen Gentechnik flössen.
Im Rahmen seiner Arbeit hat Müller die wissenschaftliche Literatur auf der Suche nach Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen durchforstet, ist jedoch nicht fündig geworden. "Derzeit finden ausschließlich 28- bis 90-Tage-Tests statt, damit könnte man auch nachweisen, dass DDT sicher ist, kritisiert er die derzeit übliche Praxis.
Pflanzen, keine Gifte
Joseph Glößl, Gentechnikexperte an der Wiener Universität für Bodenkultur, kann diese Bedenken nicht nachvollziehen. Er hält es nicht für notwendig, an die Risikoforschung zur grünen Gentechnik ähnlich strenge Anforderungen zu stellen, wie etwa im Pestizidbereich:
"Es handelt sich um Pflanzen, nicht um Gifte, meint er und versteht die Aufregung nicht. "Umweltaktivisten schüren Angst und argumentieren ideologisch.
Umweltschutz fordert Kennzeichnung bei Fleisch
Abseits der wissenschaftlichen Diskussion hat die grüne Gentechnik jedenfalls über die Hintertür längst nach Österreich gefunden: Mehr als 500.000 Tonnen gentechnisch verändertes Soja werden jährlich nach Österreich importiert und an die Nutztiere verfüttert.
Wenn auch eine Auswirkung auf die menschliche Gesundheit nicht nachweisbar ist, so fordern Umweltschutzorganisationen trotzdem seit langem eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, dass mit gentechnisch verändertem Soja produziert wurde, um dem Konsumenten Wahlfreiheit zu ermöglichen.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 16. November 2006, 18:25 Uhr
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Links
Umweltbundesamt - Gentechnik
Universität für Bodenkultur
greenpeace.at
Global 2000
ÖGGGT