Chinas Sklavenarbeit für billige Jeans
Moderne Sklaven
Der in Österreich angelaufene Film "China Blue" gibt Einblicke in die Welt hinter geschlossenen chinesischen Fabriktoren: 17 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche für 60 Euro im Monat. Für die 20-jährige Jasmin, die in Shaxi im Süden Chinas Jeans näht, ist das Alltag.
8. April 2017, 21:58
Christian Felber zur Arbeitssituation in China
In China produzieren 130 Millionen Wanderarbeiter, vorwiegend Frauen, zu unvorstellbaren Bedingungen Bekleidung für westliche Konzerne, die einen immer größeren Teil ihrer Fertigungsindustrie nach Fernost auslagern. Diese Entwicklung wird von westlichen Ländern mitbestimmt und geht in Europa auf Kosten von Arbeitsplätzen und Sozialstandards.
Menschenunwürdige Bedingungen
China ist die am schnellsten wachsende Wirtschafsmacht der Welt. Seit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas in den 1970er Jahren beträgt das durchschnittliche Wirtschaftswachstum 9,5 Prozent pro Jahr. Doch der Preis dafür ist hoch, denn in China arbeiten moderne Sklaven.
Für eine Jean bezahlt ein westlicher Handelskonzern etwas über vier Dollar. Die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, sind menschenunwürdig: Eine chinesische Sweatshop-Näherin schläft in Produktionsspitzenzeiten vier Stunden pro Nacht und arbeitet insgesamt 17 Stunden. Sie lebt am Fabrikgelände und darf dieses nur mit Sondergenehmigung verlassen. Schläge und Demütigungen sind an der Tagesordnung.
Die Nutznießer dieser Entwicklung
In den Fabriken werden Spielzeuge, Jeans und Sportartikel und Elektronikware für westliche Unternehmen hergestellt, die in den letzten Jahren den Löwenanteil ihrer Fertigungsindustrie nach China ausgelagert haben, was für die Arbeitsplätze und Arbeitsrechte in Europa schlimme Konsequenzen hat.
Westliche Regierungen sehen dieser Entwicklung jedoch zu, beziehungsweise bestimmten diese im Rahmen der WTO, der Welthandelsorganisation, mit. Westliche Konzerne profitieren vom arbeitsrechtlichen Nord-Süd Gefälle, andererseits beanspruchen sie "corporate social responsability und behaupten von sich, bessere Arbeitsbedingungen in China fördern zu wollen.
Profitinteressen contra Demokratie
Die zunehmenden Liberalisierungen des Arbeitsrechts seien dem Wohl der Menschen schon lange nicht mehr dienlich, kritisiert der Publizist Christian Felber von der globalisierungskritischen NGO Attac:
"Es ist bezeichnend für den Zustand unserer Demokratie, dass klare Mehrheitsinteressen wie Umweltschutz, soziale Sicherheit und Menschenrechte keine Chance haben. In der globalen Wirtschaft setzt sich eine Minderheit mit reinen Profitinteressen durch. Das heißt, globale Wirtschaftsinteressen setzen die Demokratie außer Kraft.
Arbeitsbedingungen durch Film dokumentiert
Die sklavenähnlichen Zustände, denen die vorwiegend weiblichen Arbeiterinnen ausgesetzt sind, werden im soeben in den österreichischen Kinos angelaufenen Film "China Blue" des israelisch-amerikanischen Regisseurs Micha Peled dokumentiert. "China Blue" gewährt Einblicke hinter die geschlossenen Fabrikstore und gibt den anonymen Arbeiterinnen ein Gesicht: die 20-jährige Jasmin, die zwei Tagesreisen von ihrer Heimat entfernt - in einer Jeansfabrik arbeitet.
Untergebracht auf einem Hofgebäude auf dem Fabriksgelände, ist Jasmin sieben Tage die Woche im Einsatz, Freizeit ist kaum möglich. Ihre Kolleginnen sind oft zu erschöpft, um in ihre Schlafkojen zu gehen und sinken über Jeansbergen zusammen. Mit Wäschekluppen zwicken sie ihre Augenlieder zusammen um während der Arbeit nicht einzuschlafen. Sie haben chronische Verdauungsprobleme und stehen unter Dauerüberwachung. Die Fabrik hält Jasmins Lohn die ersten Monate zurück, um sie an sich zu binden. Zu Weihnachten reicht das ersparte Geld nicht einmal für einen Familienbesuch.
Der Fabrikbesitzer betreibt eine doppelte Buchführung: Wenn sich Inspektoren westlicher Unternehmen ankündigen, um die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren, werden gefälschte Arbeitsunterlagen vorgelegt. All dies geschieht mit Billigung der chinesischen Regierung, die in ihren nationalen Gesetzen eigentlich einen Acht-Stunden-Arbeitstag festgelegt hat - so, wie es auch die UNO Arbeitsorganisation ILO verlangt.
Auslöser dieser Entwicklung
Die arbeitsrechtliche Abwärtsspirale hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren beschleunigt. Einer der Auslöser war der Abbau der Handelsschranken mit China durch das Auslaufen des Welttextilabkommens.
Zum Schutz der Märkte der Industrieländer waren ursprünglich Handelsbeschränkungen beschlossen worden. Anfang 2005 waren jedoch alle Quotenregelungen ausgelaufen. Innerhalb weniger Monate stiegen die Exporte von chinesischer Bekleidungsware um bis zu 700 Prozent.
Der europäische Markt wurde überschwemmt, und die Preise fielen um bis zu drei Viertel. Die EU vereinbarte daraufhin mit China eine neue Quotenregelung bis 2007 um sich an die neuen Handelsbedingungen anzupassen. Das Problem wurde somit zeitlich verschoben, aber nicht gelöst.
Die Folgen für Europa und die Welt
"Durch das baldige endgültige Auslaufen des Textilabkommens sind 30 Millionen Arbeitsplätze weltweit gefährdet, schätzt Stefan Kerl von der Clean Clothes Campagne. Schon heute stammen weltweit 20 Prozent aller Textilexporte aus China. Bis 2010 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen.
Durch den Standortvorteil Chinas und den zu erwartenden endgültigen Fall der Quotenregelung wird mit einer weiteren Abwanderung der Bekleidungsindustrie aus Mitteleuropa gerechnet. Doch nicht nur hierzulande werden dadurch weitere Arbeitsplätze verloren gehen. Auch aus Osteuropa, Lateinamerika, Afrika und den USA wird weiter in Richtung Asien verlagert werden. Die Forderung nach höheren Sozialstandards in Asien bedeuten deswegen langfristig auch höhere Sozialstandards in Europa.
Mehr zu "China Blue" in fm4.ORF.at und zu Wal-Marts China-Expansion in ORF.at
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 17. Oktober 2006, 18:25 Uhr
Download-Tipp
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Film-Tipp
China Blue 2005
Dokumentation, USA 2005
Drehbuch und Regie: Micha X. Peled