Polziehn und Tompert

Herausragende Piano-Bass-Duos

Die Kunst des Duo-Spiels ist die größte Herausforderung für Jazz-Musiker. Immer ist volle Konzentration gefordert. Die Pianisten Patrick Tompert und Olaf Polziehn beherrschen diese Kunst des musikalischen Dialogs mit ihren Kontrabassisten perfekt.

Improvisation ist ein grundlegendes Merkmal des Jazz, das wichtigste wohl neben musikalischen Parametern wie Rhythmus, Akzentuierung, Phrasierung und dergleichen. Improvisation im Spiel eines Solisten hat wiederum eine andere Bedeutung als im Ensemble-Spiel, wo die Musiker auf die freie improvisatorische Entwicklung der Stimmen der anderen achten müssen.

Die Improvisation im Duo dagegen stellt eine besondere Situation dar: zwei Musiker in einer intimen Unterhaltung, die allerdings wie ein Trapez-Akt ohne Netz stattfindet. Da ist niemand, der mit einer Bass-Linie oder perkussiv die Kontinuität des musikalischen Ablaufes garantiert. Keine Zeit, ein paar Sekunden auszuspannen. Immer ist volle Konzentration gefordert.

Duo-Jazz aus Deutschland

Allerdings gibt es keine Tradition der Duo-Besetzungen im Jazz. Solche entstehen wohl meist aus ökonomischen Bedingungen (sprich: Sparsamkeit der Veranstalter), aber auch aus persönlichen Konstellationen. Zugegebenermaßen sind auch die beiden Duos, die hier vorgestellt werden sollen, aus Deutschland zunächst als (beträchtlicher) Teil von Trios zu sehen.

Davide Petrocca, der mit zehn Jahren begann, das Spiel auf dem Kontrabass zu erlernen, hatte schon damals den Wunsch, nicht nur mit tiefen Tönen zu begleiten. Doch als Begleiter seine großen Bruders, des Gitarristen Lorenzo Petrocca, konnte er sich da schon einiges erlauben. Lorenzos Gitarre folgt der Musik von Barney Kessel und Joe Pass, die ihren Mitmusikern immer Freiräume ließen, sogar als argumentative Gegenstimmen in ihren Soli. Niels Henning Örsted Pedersen, der im Vorjahr früh verstorbene Bassist aus Dänemark, war Davide Petroccas Vorbild neben Jaco Pastorius, dessen Rock-Jazz immer auch Elemente des Gipsy-Jazz enthielt.

Pianist Patrick Tompert spielte zeitweise im Bireli Lagrene Ensemble, ist also ebenfalls mit dem Gipsy-Swing vertraut. Doch sein Vorbild ist zweifellos Oscar Peterson. Seine Virtuosität und Phrasierung entspricht ganz der seines "Meisters", was von mehreren Kritikern und einem Blindfold-Test bestätigt wurde.

Olaf Polziehn und Ingmar Heller

Am Neckar aufgewachsen, studierte Olaf Polziehn in Köln das Klavierspiel. Als eine der "interessantesten pianistischen Entdeckungen" der letzten Jahre wurde Polziehn in der "Frankfurter Rundschau" bezeichnet.

In der Klasse des britischen Pianisten John Taylor lernte er Ende der 80er-Jahre den Bassisten Ingmar Heller kennen. 1992 gründeten sie das Polziehn-Trio mit dem Schlagzeuger Oliver Mewes und spielten ein Album mit dem Titel "American Songbook" ein. Doch da ging es nicht um Imitation sondern um eine eigenständige Interpretation von Jazz-Standards.

Bedeutender Trompeter

Inzwischen gibt es schon ein "American Songbook Vol. 3" mit Harry Allen am Tenorsaxophon und Troy Davis am Schlagzeug. Dieser stammt aus New Orleans, und er machte es auch möglich, dass bei einer Tournee des Olaf Polziehn Trios, die im November in der Schweiz und in Deutschland stattfindet, einer der bedeutendsten Trompeter aus New Orleans mitwirkt: Leroy Jones.

Im Polziehn Trio wirkte 2005 übrigens der Schlagzeuger Alan Jones mit, der einige Jahre auch in Wien lebte. Zum 50-jährigen Bestehen des Jazzclubs Jazztone Lörrach gab es ein Konzert in der Besetzung Polziehn-Heller-Jones mit dem Saxophonisten Scott Hamilton als Gast, dessen Mitschnitt vom Label Satin Doll als CD-Album veröffentlicht wurde.

Böen aus Süd-West

Satin Doll ist ein Label, welches 1991 von Ingeborg Berlin und ihrem Mann Frieder Berlin gegründet wurde, um Jazz aus Baden-Württemberg zu präsentieren. Mancher wird sich fragen, woher dieser Anspruch kommt, denn dieses Land im Süd-Westen der Deutschen Bundesrepublik ist wohl kaum mit Jazz zu assoziieren. Aber gerade deshalb ist Satin Doll ein so wichtiges Projekt, denn gerade in der Süd-West-Region Deutschlands gibt es hervorragende Musiker, Bands und Projekte, die keinen Vergleich scheuen müssen, jedoch aus unerfindlichen Gründen von den Medien weniger beachtet werden als die Ereignisse in Köln, München, Berlin und anderen Zentren Deutschlands.

Über 60 Alben sind seither erschienen, darunter eines mit dem Quartett des Geigers Gregor Hübner, der mit seinen Duo-Projekten mit Richie Beirach weltberühmt wurde. Auf "Panonien" wirkt der Bassist Harvey Swartz mit. Das Werner Lener Trio und das Thomas Stifling Quartet haben auf Satin Doll ihre ersten Alben veröffentlicht.

Doppelalbum mit Eigenkompositionen

Frieder Berlin gab 2004 anlässlich seines 50.Geburtstages auch ein Doppelalbum mit eigenen Kompositionen heraus, durchaus zu Recht, denn seine Musik hat in den unterschiedlichsten Genres von Dixie bis Big Band durchaus Klasse und Eigenständigkeit.

Ein besonderer Hit ist das Album "Jive And Candies". Es sägt quer durch alle Jazz-Stile und ist dennoch nicht x-beliebig. Die Band namens Charlie and the Jivemates wird geleitet von Seiner Exzellenz Karl Friedrich Erbprinz von Hohenzollern.

Hör-Tipp
Spielräume, Donnerstag, 12. Oktober 2006, 17:30 Uhr

CD-Tipps
Olaf Polziehn Trio feat. Scott Hamilton, Satin Doll 1054

Olaf Polziehn Trio feat. Harry Allen, "American Songbook Vol.2", Satin Doll SDP 1046-1

Patrick Tompert und Davide Petrocca, "Getting Closer", Satin Doll 10053-1

Charlie and the Jivemates, "Jive And Candies", Satin Doll, SDP 1045-1

Links
Satin Doll
Lorenzo Petrocca
Patrick Tompert
Alan Jones
Charlie and the Jivemates