Zum 15. Todestag von Miles Davis

Miles Davis und der Electric Jazz

Miles Davis hat den Electric Jazz fast im Alleingang erfunden. Für Jazz-Puristen stellt diese Phase, in der sich Miles Davis der Steckdose und damit auch dem Soul, Funk und Rock zugewandt hat, nach wie vor für Anbiederung, Dekadenz und Niedergang.

Miles Davis war an der Entwicklung von drei Stilen des Jazz an vorderster Front beteiligt: Im Unterschied zum Bebop und zum Cool Jazz hat er den so genannten Electric Jazz aber fast im Alleingang erfunden. Entstanden ist dieser nachgerade beiläufig: Das berühmte Doppelalbum "Bitches Brew" etwa, das zur meistverkauften Jazzplatte aller Zeiten avancieren sollte und von dessen Titelnummer Sie soeben den Anfang gehört haben, wurde an nur drei Tagen im August 1969 aufgenommen.

In der Besetzung, die neben Bläsern, E-Bass und Gitarre auf einigen Stücken gleich drei Keyboarder, zwei Schlagzeuger und zwei Perkussionisten umfasst, erwies sich Miles schon um einiges kühner als noch ein Jahre davor, als die Entwicklung seines neuen, elektrifizierten Idioms eigentlich recht ruhig begann.

Hancocks Keyboard-Premiere

Herbie Hancock über seine Erstbegegnung mit einem elektrischen Klavier: "Als ich ins Studio kam, sah ich mich um, konnte aber keinen Flügel finden. Ich warte also ab und dachte: Was will Miles, dass ich spiele? Also fragte ich ihn: 'Miles, was soll ich spielen?' Er antwortete: 'Spiel das da drüben.' Ich sah in die Ecke, und da stand ein elektrisches Fender Rhode Piano. Ich dachte mir: Er will, dass ich auf diesem Spielzeug spiele?"

Bei "Frelon Brun" aus dem Album "Filles de Kilimanjaro", das im September 1968 aufgenommen wurde, bediente Chick Corea dieses Instrument. Zu dieser Zeit begann Miles Davis sein längstgedientes und bestes Quintett umzubauen: Bassist Ron Carter und Schlagzeuger Tony Williams verließen schließlich die Band und wurden durch Dave Holland und Jack DeJohnette ersetzt, andere Musiker, wie der britische Gitarrist John McLaughlin, der bereits erwähnte Chick Corea oder auch Joe Zawinul kamen hinzu.

Hypnotische Basslinien

Zawinul, der fast zehn Jahre lang mit Cannonball Adderley gespielt hatte, gründete wenig später - gemeinsam mit dem Saxophonisten Wayne Shorter - die Gruppe Weather Report. Mit seinen Kompositionen und jenen hypnotischen Basslinien, über die Miles Davis viertel- bis halbstündige Stücke errichten konnte, verlieh Zawinul der Musik aus dieser Zeit entscheidende Impulse.

Ein Beispiel dafür ist "Directions" von Joe Zawinul: Eine Aufnahme aus dem November 1968, die also nur zwei Monate nach dem recht beschaulichen, davor gespielten "Frelon Brun" entstanden ist. Zu hören sind dort - neben anderen - Chick Corea, Herbie Hancock und Joe Zawinul an diversen elektrifizierten Tasteninstrumenten und Wayne Shorter mit einem wunderbaren Solo am Sopransaxophon.

"In a Silent Way"

Zawinul hatte auch die Titelkomposition zu dem berühmten Album "In a Silent Way" beigesteuert, das an einem einzigen Tag im Februar 1968 aufgenommen wurde.

Neben Zawinul hatte allerdings auch noch Produzent Teo Macero entscheidenden Anteil an der Gestalt dieses Meilensteins der Jazzgeschichte: Macero montierte die Bänder der Studioaufnahme völlig neu, so dass er eigentlich schon als Co-Komponist gelten darf.

Miles Davis, der Popstar

Am 29. August 1970 war Miles Davis' Status als Popstar endgültig beglaubigt worden: Neben Größen des Rock wie Jimi Hendrix, den Who oder den Doors war er vor geschätzten 600.000 Menschen auf der Isle of Wight aufgetreten.

"Ich glaube, dass dieser kleine 37-Minuten-Mitschitt eine Art Mikro-Geschichte des Jazz darstellt", meint Keith Jarrett. "Und sie kam geradewegs aus Miles' Trompete. Es gibt da sogar einen Diexieland-Augenblick. Die Leute hörten praktisch, wo all das herkam, alles, was bis zu diesem Zeitpunkt passiert war, inklusive all dem modernen Zeug."

Mehr über die großen Bandleader des Jazz in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 24. September 2006, 17:10 Uhr

Links
Wikipedia - Miles Davis
Miles Davis