Zwischen Erfahrung und Notstand

Altern und Arbeit

Das Verhältnis von Alter und Arbeit hat sich allein im Laufe der letzten 100 Jahre gravierend verändert. Die Lebenszeit wird immer länger; dem soll sich auch die Arbeitszeit anpassen. Gleichzeitig finden Ältere schwer neue Jobs.

Historische Beschäftigungsanteile in den Industrieländern

Während Kunden über 60 Jahre mit jugendlichen Attributen wie "agil", "unternehmungslustig" und "finanzstark" umgarnt werden, gelten Arbeitnehmer schon ab 45 als "alt", "leistungsgemindert" und "teuer". Das war das - nur auf den ersten Blick widersprüchliche - Ergebnis einer Studie, die die oberösterreichische Arbeiterkammer im Sommer 2006 präsentiert hat.

Das Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung (IBE) hat im Auftrag der Arbeiterkammer insgesamt 33 Geschäftsführer oder Personalleiter sowie Betriebsräte aus 17 mittelständischen Unternehmen befragt. Die Firmen gehören den Branchen Handel, Banken und Versicherungen sowie Metall- und Bauindustrie an und haben zwischen 250 und 1.000 Mitarbeiter.

Kaum Altersprofile vorhanden

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: In den Betrieben gibt es wenig Bewusstsein über die Altersstruktur des Personals und deren zukünftige Auswirkungen auf das Unternehmen. Auch der Informationsstand über die Besonderheiten älterer Mitarbeiter und die Möglichkeiten, eine längere Beschäftigung im Alter zu fördern, sei gering.

Dieses Thema greift auch die aktuelle Ausgabe der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" auf, die der Situation der Generation 50 plus am Arbeitsmarkt ihren Aufmacher widmet. Als positives Beispiel wird dort etwa die Neugründung eines Automobilwerks in Leipzig genannt. Den Verantwortlichen war dabei klar, dass sie von Beginn an für altersmäßige Durchmischung sorgen mussten, um nicht in 30 Jahren die Fabrik auf einen Schlag stilllegen zu müssen.

Wer fühlt sich alt?
Dazu passt die Selbsteinschätzung der Betroffenen, wie sie vom Meinungsforschungsinstitut Fessl-GfK Anfang September präsentiert wurde. Nur ein knappes Fünftel der Österreicher über 50 Jahre fühlt sich alt. Drei von zehn Befragten berichteten sogar von einem Aufblühen im Alter. Fast zwei Drittel fühlen sich jünger als sie tatsächlich sind. 1.000 Personen über 50 Jahre wurden für die Untersuchung persönlich befragt.

Die Mehrheit der über 50-Jährigen - etwa zwei Drittel - beurteilt sich selbst als leistungsfähig. Mehr als die Hälfte möchte aktiv an der Gesellschaft teilnehmen und sich engagieren. Weniger positiv sind die Einstellungen zum Thema Arbeitsmarkt. Der Großteil fühlt sich nicht gefragt und zu Gunsten jüngerer benachteiligt. Fast zwei Drittel wollen nicht mehr arbeiten, da sie bereits "genug geleistet haben".

Werden Erwerbstätige fehlen?
Dabei drohen der EU langfristig die Arbeitskräfte auszugehen. Das war zuletzt im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft bei einer vom Sozialministerium veranstalteten Konferenz Thema. Nach Kommissionspapieren werden der Union im Jahr 2030 ganze 20,8 Millionen Erwerbstätige fehlen. In den Mitgliedstaaten leben dann laut den Berechnungen unterm Strich 18 Millionen Kinder und Jugendliche weniger als heute.

In der EU ist der demografische Niedergang schon seit Jahren feststellbar: In einem Drittel der EU-Regionen und in fast allen Regionen der neuen Mitgliedstaaten nimmt die Bevölkerung seit Ende der neunziger Jahre ab. Diese demografischen Veränderungen werden sich massiv auf Wohlstand, Lebensstandard und die Beziehungen zwischen den Generationen in der Union auswirken, warnte die EU-Kommission. Grob gesagt werden im Jahr 2030 zwei Erwerbstätige (zwischen 15 und 65 Jahren) für einen Nichterwerbstätigen (von über 65 Jahren) aufkommen müssen.

Bis 2030 werden in der EU zudem 34,7 Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein, das sind fast doppelt so viele wie heute (18,8 Millionen). Diese Entwicklung wird sich in den darauf folgenden Jahrzehnten noch fortsetzen und die Zahl der Menschen über 80 wird bis 2050 um 180 Prozent anwachsen.

Stagnierende Geburtenrate
Dem gegenüber steht eine stagnierende Geburtenrate. 2003 ist diese in der EU auf 1,48 gesunken und lag somit unter der für die Reproduktion der Bevölkerung erforderlichen Marke von 2,1 Kindern pro Frau. Laut Grünbuch wird die EU-Bevölkerung von 469,5 Millionen im Jahr 2025 auf 468,7 Millionen im Jahr 2030 fallen. Das ist ein vergleichsweise schlechter Wert: Die US-Bevölkerung wird zwischen 2000 und 2025 um mehr als ein Viertel wachsen.

Die schlechte Entwicklung ist das Ergebnis der Zwänge von Familienentscheidungen, folgert die EU-Kommission: Später Zugang zu einer Beschäftigung, unsichere Arbeitsplätze, teurer Wohnraum und fehlende Anreize wie Familienbeihilfen, Elternurlaub, Kinderbetreuung und gleiche Entlohnung von Männern und Frauen.

Hör-Tipp
Betrifft Geschichte zum Thema "Altern und Arbeit", Montag, 18. September 2006 bis Freitag, 22. September 2006, jeweils 17:55 Uhr.

Download-Tipps
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendereihe "Betrifft Geschichte" gesammelt jeweils am Freitag nach Ende der Ausstrahlung und die Sendung "Von Tag zu Tag" vom Freitag, 15. September 2006, 14:05 Uhr zur Situation auf Österreichs Arbeitsämtern nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Links
Universität Wien - Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Die Zeit - Themenpaket 50 plus