Einfachheit vs. Weiterentwicklung

Pro und Contra "Original Series"

Während Martina Frühwirth einzig und allein die "Original Series" mit Kirk, Spock & Co. mag, findet Stella Damm die weiterentwickelten Spin-Offs "The Next Generation", "Deep Space Nine" und "Voyager" interessanter. Zwei Standpunkte, zwei Glossen.

Martina Frühwirth bevorzugt "The Original Series".

"Computer, etwas Musik!" Im 24. Jahrhundert von Star Trek, also auf den Raumschiffen "Enterprise-D" unter Jean-Luc Picard, auf der "Voyager" und auf der Raumstation "Deep Space Nine" bedient man den Computer mit Stimmbefehlen, was schön und gut, aber noch nichts Aufsehen Erregendes ist. Wirklich Aufsehen erregend finde ich Folgendes:

Stellen Sie sich vor, Sie hätten jederzeit völlig ungehinderten Zugang zum gesamten kulturellen Fundus Ihrer und aller anderer Gesellschaften. Sprich, Sie sagen dem Computer zum Beispiel: Johann Sebastian Bach, die Cellosuiten, eingespielt von Pablo Casals, und schon fängt Casals zu spielen an. Oder klingonische Opern, oder Bob Dylan, was Ihnen auch einfällt, ohne dass Sie sich je wieder um ihre CD-Sammlung kümmern müssen.

Ich will nicht unbescheiden sein, ich habe kürzlich eine Werkausgabe von J. S. Bach in 160 CDs geschenkt bekommen und ich kann die Finger nicht davon lassen, wann immer ich in die Nähe meiner Stereoanlage komme. Einer meiner ersten Gedanken dazu war: Fast wie "Computer: etwas Musik" - aber eben nur fast.

Oder Bücher: alles da, jederzeit. Man kann sich, sagen wir, umstandlos ein Kapitel aus dem "Mann ohne Eigenschaften" vorlesen lassen. Sollte einem die vorlesende Stimme nicht gefallen, sagt man dem Computer, er möge den Klang der Stimme an das Vorbild von Oskar Werner anpassen; et voilà, Werner liest Musil. Hat er meines Wissens nie gemacht, jedenfalls nicht auf Tonträgern. Mit dem Computer auf den Sternenflotten-Raumschiffen geht das. Und wenn Sie Lust haben, selber in die Rolle von Ulrich oder Agathe zu schlüpfen, lassen Sie das Holodeck ein Programm kreieren auf der Basis von Musils Roman.

Genau, das Holodeck: Das Holodeck ist ein Raum, in dem auf holografischem Weg jedes beliebige Freizeit-, Übungs- oder Forschungsszenarium virtualisiert werden kann. Man sagt, was man möchte, den Innenraum einer Bar aus den 1930erJahren zum Beispiel, oder einen tropischen Regenwald, oder Wien in der Zeit des Ringstraßenbaus, und schon steht man mittendrin. Deanna Troi, die telepathische Betazoidin, die auf der "Enterprise-D" als Schiffspsychologin arbeitet, geht hier gerne im Mondschein spazieren, Tom Paris, Mensch und Pilot auf der "Voyager", betätigt sich sportlich oder spielt den Agenten in James-Bond-artigen Inszenierungen, der Klingone Worf, Sicherheitschef auf Picards "Enterprise" und später taktischer Offizier auf "Deep Space Nine", schafft sich zottelige und bedrohlich grunzende Gegner in wildromantischer Felslandschaft, damit er kämpferisch im Training bleiben kann, ohne seine Crewkollegen verletzen zu müssen. Mentaltraining zum Anfassen gewissermaßen, denn die virtuellen Gegner hauen wirklich fest hin und die virtuellen Felsen tun wirklich weh, wenn man auf sie fällt - wobei so genannte Sicherheitsprotokolle ernsthafte Verletzungen verhindern.

Ich persönlich würde mir dort wohl eher eine ruhige Bucht mit Sandstrand und glitzernd klarem Meer erschaffen lassen. Fragen Sie mich nicht, wie das geht, aber in diesem Hologramm-Meer kann ich dann schwimmen, es hinterlässt einen salzigen Film auf der Haut und riecht, wie ein Meer riechen soll, der Sand ist sonnenwarm und fühlt sich genau so an wie nichtholografischer Sand, und wenn mir ein Sonnenschirm abgeht, sage ich: "Computer, einen Sonnenschirm hinzufügen" und es macht wuusch, und da steht mein Sonnenschirm. Und das Schönste: Sollte sich ein lästiger Kerl in meine Holo-Idylle verirrt haben, sage ich einfach: "Computer, Figur entfernen!". Wäre manchmal in der U-Bahn ganz praktisch, das.

Blanker Neid, Sie hören das ganz richtig heraus. Dass ich trotz des ständig nagenden Neidgefühls mit großem Vergnügen "Enterprise - das nächste Jahrhundert", "Deep Space Nine" und "Voyager" sehe, liegt daran, dass einem hier intelligente Unterhaltung vom Feinsten geboten wird, dass sich rund um die ewig drohenden WARP-Kernbrüche und romulanischen Kriegslisten spannendste ethische Konflikte schlingen, die keinen Platz lassen für simple Lösungen, dass die Charaktere der Serien von Folge zu Folge feiner gezeichnet sind und man sie dabei beobachten kann, wie sie sich weiterentwickeln - und das vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, der gegenseitige Wertschätzung zu einer Selbstverständlichkeit gemacht hat und der Neugier und Wissensdurst an die Stelle von Vorurteilen und Gewinnsucht gesetzt hat.

Alls das hat die Original-Serie zwar verdienstvoll angedeutet, aber nie konsequent ausformuliert, und die letzte, zurecht vorzeitig abgesetzte Serie rund um Captain Archer, die noch vor Kirk spielt, hat es wieder aufgegeben.

Also wenn Sie gerade zu verzweifeln drohen an unserer Welt, wenn Sie sich ausruhen müssen vom Ankämpfen gegen Schwarz-Weiß-Denken oder gegen das Ellenbogenspiel, und Sie dabei dennoch nicht Ihr Gehirn abschalten möchten, dann halten Sie sich an "Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert", "Deep Space Nine" und "Voyager"!

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Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 11. August 2007, 17:05 Uhr

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