Neue Erkenntnisse zur Klimaveränderung

Wettermacher Feinstaub

Feinstaub - und nicht das Treibhausgas Kohlendioxid - ist der stärkste Motor der Klimaveränderung. Diese Annahme legen Studien aus Deutschland und Israel nahe. Auch Extrem-Wetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürre gehen vielfach auf sein Konto.

Wenn sich Wolken aus Feinstaub bilden, wie sie etwa von Dieselmotoren emittiert werden, führt dies zu heftigen Stürmen und schweren Niederschlägen - so, wie wir sie in den letzten Jahren immer öfter erleben. Im EU-Projekt ANTISTORM hat Meinrat Andreae vom Max-Planck-Institut in Mainz untersucht, wie aus Nano-Partikeln in der Luft verheerende Unwetter werden.

Langlebig und fein strukturiert
Wolken aus Feinstaub leben länger, sie sind wilder und sehr gebärfreudig, weil sie rasch neue Wolken auslösen. In unbelasteter Luft bauen sich Wolken aus vergleichsweise großen Keimen wie Wüstenstaub oder Seesalz auf. Rund um diese Kerne lagert sich Wasser an. Wenn die Tropfen groß genug sind, beginnt es zu regnen.
In Feinstaubwolken sind rund 500 Mal mehr Kondensationskerne zu finden. Die Tropfen sind daher viel kleiner - so klein, dass sie nicht fallen. Stattdessen steigen sie mit dem Wind auf und werden zum Teil "superkalt". Das heißt, sie bleiben bis minus 37 Grad flüssig. Dann entstehen wuchtige Hagelkörner, die viel Schaden anrichten können.

Krankmachender Feinstaub

Meinrat Andreae hat diesen Mechanismus auf mehreren Schienen nachgewiesen. Einerseits durch Computer-Simulationen, andererseits durch Satelliten-Beobachtungen. Zusätzlich flog ein Spezialflugzeug sowohl in Wolken über stark durch Feinstaub belasteten Städten als auch über den unbelasteten brasilianischen Regenwald.

Feinstäube haben typischerweise einen Durchmesser von zehn Millionstel Millimetern. Sie kommen zum Großteil aus der Industrie, zu etwa 17 Prozent tragen Dieselmotoren zur Belastung bei. Sie sind so klein, dass sie in feinste Verästelungen der Lunge eindringen und dort Krankheiten auslösen können. Nach EU-Hochrechnungen gehen mehr als 300.000 Sterbefälle jährlich auf das Konto der ultrafeinen Partikel.

Feinstaub verändert Wasserkreislauf
In der Wetterchemie könnte ihr Einfluss bisher unterschätzt worden sein. Ilan Koren vom israelischen Weizmann-Institut hat kürzlich gezeigt, dass die langlebigen Wolken aus Feinstaub-Kernen den Wasserkreislauf verändern. Sie verschleppen das Wasser teilweise in Gebiete, die Wolken aus großen Kondensationskernen gar nicht erreichen würden - sie verteilen Wasser also um. Ein schwieriger Fall für Landwirtschaft und Trinkwasser-Versorgung, die ja von einem berechenbaren Niederschlag ausgeht.

Schlimmer als Kohlendioxid
Die Feinstaub-Wolken reflektieren durch ihre Langlebigkeit auch mehr Sonnenstrahlung in das Weltall zurück. So kommt es, laut Ilan Koren, zu problematischen lokalen Klimaveränderungen. Unter der reflektierenden Wolkendecke kühlt die Erdoberfläche ab. Korens Schlussfolgerung: Feinstäube sind stärkere Klimafaktoren als die Treibhausgase.

Mit den neuen Erkenntnissen über die Wettermächtigkeit von Feinstäuben will Meinrad Andreae die Wettermodelle verbessern und vor allem lokal zu besseren Vorhersagen kommen. Besonders bei sehr heftigen Wetter-Ereignissen sei die Prognose-Genauigkeit noch sehr schlecht.

Schach den Feinstaubwolken
Der Mensch ist ein Wettermacher. Er beeinflusst das Klima ständig. Und statt Unwetter vorherzusagen, gehen mutige Szenarien davon aus, dass man sie in einer Art "Notwehr" kurzfristig verhindern könnte - indem man die Feinstaub-Wolken von Flugzeugen aus zerstört. Zum Beispiel sollen geringe Mengen kleiner Salzkristalle von Flugzeugen aus in bedrohliche Feinstaubwolken eingestreut werden, um sie so zum Abregnen zu bringen. Kein billiges Unterfangen, aber allemal günstiger als verheerende Hagelschäden, wie sie Feinstaub-Wolken leicht provozieren.

Mehr zum Thema Feinstaub in science.ORF.at

Link
Max-Planck-Institut - Meinrat Andreae
Weizmann Institute of Science - Environmental Sciences
Weizmann USA - New Releases
ANTISTORM

Übersicht

  • Klimawandel