Weiche Sohlen für Zarte, harte Sohlen für Dicke

Neue Erkenntnisse im Sportschuhdesign

Im Halbjahres-Rhythmus werden Sportartikel "verbessert". Biomechaniker schilderten bei den Alpbacher Technologie-Gesprächen, wie sich der Lauf-Sport in den letzten Jahren an neue Glaubenssätze gewöhnen musste.

Laufschuhe mit besonders stark dämpfenden, weichen Sohlen gehörten eine Zeitlang zur Grundausstattung des engagierten Hobbyläufers. Die Dämpfung sollte die Stoßkräfte auf die Gelenke mildern, speziell während die Ferse am Boden aufsetzt. Für den Biomechaniker Benno Nigg vom Human Performance Laboratory in Calgary sieht heute alles anders aus.

Als Grundregel gilt: "Gut trainierte leichte Leute mit wenig Schwabbelmasse in den Waden und Oberschenkeln können weichere Sohlen nehmen. Schwerere Läufer mit weniger Training sollten hingegen zu härteren Sohlen greifen."

Muskeln machen Musik

Nigg versteht das Bein ähnlich wie ein Instrument. Durch das Aufprallen am Boden kommt es vor allem im Oberschenkel zu einer Resonanz. Und die ist je nach Oberschenkeldicke anders, so wie bei einer Violine je nach Grundton bestimmte Saiten mitschwingen, ohne dass man sie mit einem Bogen anregen muss.

Problematisch wird es, wenn der Oberschenkel stark mitschwingt. Dann müssen die Muskeln aktiv dämpfen - und das kostet Kraft. Wenn der Schuh diese Resonanz verhindert, läuft man komfortabler.

Lauftechnischer Paradigmenwechsel
"Wir haben das Konzept falsch verstanden. Wir haben gedacht, wir müssten die Stoßkräfte beim Landen reduzieren", sagt Nigg heute über die "Dämpfungs-Mode". Eine Zeitlang sei sogar das Hüpfen im Fitness-Training verpönt gewesen, um die Stoßbelastung zu reduzieren. Für Nigg sind das Fehlentwicklungen: "Man weiß heute, dass der Knochen solche Belastungen geradezu braucht. Die Knochenmasse nimmt durch die Stoßbelastungen zu und reduziert sich, wenn die Belastung fehlt. Man hat das bei Zehn- bis Fünfzehnjährigen genauso gezeigt wie bei Frauen vor der Menopause." Bei letzteren wuchs die Knochenmasse innerhalb von zwei Jahren um vier bis sechs Prozent - ein wichtiger Schutz gegen die Osteoporose.

Auf die innere Stimme achten
Um ohne viel Wissenschaft zum richtigen Laufschuh zu kommen, brauche man nur eins: Auf sein Gefühl hören, meint Nigg. Wenn man sich in einen Schuh gut fühle, sei er auch der richtige.

Genauso verhalte es sich auch mit dem Untergrund - ob man auf Asphalt lieber laufe oder auf Wiesenwegen, das sei völlig egal. Benno Nigg sind keine Studien bekannt, die auf dem einen oder anderen Boden eine höhere Verletzungshäufigkeit zeigen. Man solle dort laufen, wo man sich am wohlsten fühle.

Ähnlich haben sich die Denkweisen auch in Sachen Gelenksstütze verändert. Viele haben beim Sport Probleme mit dem Sprunggelenk. Eine der üblichen Reaktionen: Ihnen wird zu einem Schuh geraten, der das Gelenk stützt. Langfristig führt genau diese Entlastung zu noch mehr Problemen, weil der Körper sich noch weniger um ein stützendes Muskelkorsett rund um das Gelenk bemühen muss.

Muskeln aufbauen, nicht stützen
Jetzt gibt es "instabilisierende Schuhe", die die kleinen Muskeln im Sprunggelenk aufbauen. Zwei Millionen dieser Hi-Tech-Geräte werden weltweit pro Jahr verkauft. Als Traingsgerät seien diese Schuhe für alle geeignet, sagt Benno Nigg. Sie ahmen zumindest zum Teil das Barfußgehen nach - und das ist schließlich die ursprünglichste Form des Gehens. Erst jüngst hat eine Studie gezeigt, dass Barfuß-Läufer weniger Bein-Beschwerden haben als Läufer mit Schuhwerk.

Mehr zu den Alpbacher Technologiegesprächen in oe1.ORF.at und science.ORF.at

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Dimensionen" mit Berichten von den Alpbacher Technologiegesprächen 2006 vom Freitag, dem 25. August 2006, 19:05 Uhr, nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Link
Europäisches Forum Alpbach - Technologiegespräche