Wahlkampfkosten und Parteienfinanzierung
Unsere teure Demokratie
Rund 150 Millionen Euro kassieren Österreichs politische Parteien pro Jahr an öffentlichen Geldern, dazu kommen Mitgliedsbeiträge und Spenden. Im laufenden Wahlkampf geben sie etwa 25 Millionen Euro aus. In Wahrheit ist es aber viel mehr, schätzen Politologen.
8. April 2017, 21:58
Politologe Hubert Sickinger zu Parteienrisken
Es ist Wahlkampfzeit, und die Parteien mobilisieren ihre Reserven: die personellen ebenso wie die finanziellen. Vor allem die großen Parteien versuchen sich beim finanziellen Aufwand klein zu machen, weil ja auch viel Steuergeld im Spiel ist.
4 Euro 50 pro Nase
Je sieben Millionen Euro planen ÖVP und SPÖ nach offiziellen Angaben für Wahlwerbung auszugeben. BZÖ und FPÖ nennen Kosten von je fünf Millionen, die Grünen wollen mit vier Millionen Euro für Plakate, Inserate, Werbespots und Werbebriefe auskommen.
"Sieben Millionen Euro geplante Wahlkampfkosten je Großpartei - das sind nach alter Währung 100 Millionen Schilling - werden aber nicht ausreichen", sagt der Politologe Hubert Sickinger vom Institut für Konfliktforschung. Er rechnet mit 50 bis 100 Prozent mehr. Denn die offiziellen Angaben vor der Wahl würden nur bestimmte Werbemittel und manchmal lediglich die Ausgaben der Bundespartei umfassen, betont er. Die Kosten der Landesorganisationen kämen noch hinzu. Und in den letzten Wochen vor der Wahl würden meist die Budgets überzogen, etwa mit Ausgaben für zusätzliche Inserate, ergänzt Sickinger.
Geht man von den 6,1 Millionen Wahlberechtigten und den offiziellen Wahlkampfkosten von 26 bis 28 Millionen Euro für alle Parteien aus, würde das zusätzliche Ausgaben von 4 Euro 50 pro Wahlberechtigtem bedeuten.
Parteienrisken
Wahlkämpfe bergen für die Parteien auch ein erhebliches finanzielles Risiko, sagte Hubert Sickinger vor einem Jahr in "Saldo". Denn nach seinen Worten hänge es vom erzielten Wahlergebnis ab, wie viel an öffentlicher Parteiförderung eine Partei in der Folge erhalte. Ein politischer Absturz ziehe fast unweigerlich einen finanziellen nach sich, so der Politologe.
"Saldo" hat vor einem Jahr auch die wirtschaftliche Bedeutung der politischen Parteien untersucht, woher sie wie viel Geld bekommen, wie viele Menschen sie beschäftigen. Anlass war damals der Streit ums Geld nach der Trennung des BZÖ von der FPÖ.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Parteienschulden
Heute sieht es bei FPÖ und BZÖ folgendermaßen aus: Der FPÖ sind Schulden von 3,2 Millionen Euro geblieben- Gleichzeitig sind die Einnahmen gesunken: Die Förderung für die Parteiakademie wurde gestrichen, das sind 1,4 Millionen Euro. Die Parteiförderung wurde um 100.000 Euro gekürzt: "Diese Schulden werden innerhalb von fünf Jahren abgebaut", betont dazu FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, die Banken hätten dem zugestimmt.
Das BZÖ konnte im letzten Jahr schuldenfrei starten. Bisher wurden aber auch keine neuen Schulden aufgebaut, abgesehen von kurzfristigen Verbindlichkeiten im Zuge laufender Geschäfte, informiert BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch. Woher die rund fünf Millionen Euro für den Wahlkampf allerdings kommen, sagt er nicht.
Drei Säulen der Parteienfinanzierung
Die Grundsätze der Parteienfinanzierung in Österreich sind dieselben geblieben. Im Wesentlichen gibt es dabei drei Säulen: Die öffentliche Parteienfinanzierung, Mitgliedsbeiträge und Spenden.
Ein Blick ins Budget 2006 zeigt eine Summe von knapp 50 Millionen Euro aus dem Steuertopf - aber nur auf Bundesebene. Auf Länderebene kommen noch 105 bis 110 Millionen Euro dazu. Insgesamt kassieren somit die vier Parlamentsparteien an öffentlichen Mitteln rund 150 bis 160 Millionen Euro.
Dazu kommen Mitgliedsbeiträge vor allem bei ÖVP und SPÖ von je 15 bis 17 Millionen Euro. Die Parteispenden werden von Hubert Sickinger auf rund 15 Millionen Euro geschätzt. Das ist ein relativ kleiner Anteil. Insgesamt bewegen Österreichs Parteien pro Jahr einen Betrag von rund 240 Millionen Euro. Nur rund 20 bis 25 Prozent davon fließen in Wahlkämpfe, der Großteil dient der Erhaltung der Parteien selbst.
Die ÖVP und die SPÖ haben alles in allem pro Jahr rund 100 Millionen Euro zur Verfügung, die FPÖ - noch - 25 Millionen, die Grünen rund 17 Millionen. Die ÖVP ist schuldenfrei, die SPÖ baut ihre Schulden aus vergangen Wahlkämpfen von 25 auf sechs Millionen ab. Die Grünen sind schuldenfrei.
Mittel gegen Korruption
Politische Parteien sind nicht nur Dienstleistungs- und Kommunikationsunternehmen, sie sind vor allem große Non-Profit-Organisationen. In Österreich gibt es 800.000 bis 900.000 Parteimitglieder; mehr als 100.000 davon arbeiten regelmäßig für ihre Partei. Aber es gibt nur rund 2.500 gut bezahlte Full-Time-Jobs, von Parteiangestellten bis hinauf zum Bundeskanzler, der ja auch Parteiarbeit leistet. Die meisten Funktionäre erhalten nur eine Aufwandsentschädigung, viele arbeiten ehrenamtlich.
Obwohl oder gerade weil viel Steuergeld ins Parteiensystem fließt, da die Parteien sehr wenig auf Spenden angewiesen sind, wird die österreichische Parteienfinanzierung positiv bewertet: "Parteienfinanzierung aus Steuergeldern ist" - so Hubert Sickinger - "ein wirksames Mittel gegen Korruption und damit ein Vorteil für den Wirtschafts-Standort Österreich."
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 25. August 2006, 9:45 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung nach Ende der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Links
ÖVP
SPÖ
FPÖ
Die Grünen
BZÖ
Institut für Konfliktforschung