Eine der problematischsten Figuren des 20. Jahrhunderts
Richard Dünsers "Radek"
Dieses postmoderne Geschichts-Panoptikum stieß bei der Uraufführung auf Begeisterung: Richard Dünsers erste Oper "Radek", die im Rahmen der diesjährigen Bregenzer Festspiele gezeigt wurde. Der "Zeit-Ton" sendet Ausschnitte aus diesem Werk.
8. April 2017, 21:58
Georg Nigl in der Titelrolle der Dünser-Oper
Eine der problematischsten Figuren in der Geschichte des 20. Jahrhunderts haben der Komponist Richard Dünser und der Librettist Thomas Höft in den Mittelpunkt der Oper "Radek" gestellt, die am 12. August bei den Bregenzer Festspielen als Koproduktion mit der Neuen Oper Wien mit dem Wiener Concert Verein unter Walter Kobéra uraufgeführt wurde.
"Der galizische Jude aus der ehemaligen k. und k. Monarchie war einer der brillantesten Demagogen der kommunistischen Bewegung. Als Mitbegründer der KPD und als politischer Intrigant hatte er erheblichen Einfluss auf die historische Entwicklung. Seine offensive Gewaltbereitschaft und seine von Moralbegriffen freie Agitation macht ihn zum Prototypen eines radikalen Intellektuellen, der eine Blutspur in der Vergangenheit hinterlassen hat", heißt es im Vorwort zum Libretto von Thomas Höft zu dieser Oper.
Mit Lenin im plombierten Zug
Karl Radek wurde am 31. Oktober 1885 als Karel Sobelsohn im galizischen Lemberg als Sohn eines jüdischen Postbeamten geboren. 1907 übersiedelte er nach Deutschland und trat der Sozialistischen Partei Deutschlands bei, aus der er 1912 - wegen linksradikaler Propaganda - wieder ausgeschlossen wurde. Die ersten Jahre des Ersten Weltkrieges erlebte Radek in der Schweiz, dort nahm er Kontakt mit Lenin auf und fuhr mit ihm 1917 im plombierten Zug durch Deutschland nach Schweden.
Als Mitglied der bolschewistischen Delegation spielte er eine nicht unwesentliche Rolle bei den Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Russland in Brest-Litowsk. Gemeinsam mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht beteiligte er sich nach dem Krieg am Aufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands, wurde 1919 aber verhaftet und aus Deutschland ausgewiesen.
Aufstieg, Verbannung und Begnadigung
In Moskau wurde Radek Mitglied des Exekutivkommitees der kommunistischen Internationale, in deren Auftrag er 1923 illegal nach Deutschland einreiste und einen kommunistischen Aufstand im Ruhrgebiet organisierte.
Wegen seiner Verbindung zu Leo Trotzki wurde er 1924 aus der Partei ausgeschlossen, aller Ämter enthoben und 1927 in den Ural verbannt. Zwei Jahre später unterwarf er sich Stalin und wurde begnadigt.
Verurteilt und von Mithäftlingen erschlagen
Der Jude Karl Radek war entscheidend an der Finanzierung der Hitler-Bewegung in Deutschland durch Stalin beteiligt (Hitler-Stalin-Pakt). Doch all sein Taktieren nützte ihm letztlich nichts:
Im Zuge von Stalins Säuberungen wurde er im Zweiten Moskauer Schauprozess zu Gefängnis und Deportation nach Sibirien verurteilt - zuvor verriet er noch seine letzten Freunde. Radek hat die Haft nicht überlebt, er wurde von Mitgefangenen erschlagen.
Dünsers erste Oper
"Radek" ist die erste Oper von Richard Dünser. Drei Jahre dauerte seine Arbeit an dem rund 72 Minuten langen Werk. Es habe ihn nie interessiert eine "L´art pour l´art - Elfenbeinturm - Oper" mit "schönen philosophischen Ideen" zu schreiben. Es sollte "Handfestes" vorkommen, seine Oper solle die Menschen bewegen, so Dünser.
Statt Paradies die Hölle auf Erden
Radek bezeichnet Richard Dünser als eine janusgesichtige Person, als einen Mann, der versucht habe, das Paradies auf Erden zu schaffen und letztlich mitgeholfen habe, die Hölle zu verwirklichen.
Thomas Höft hat sich in seinem Libretto weitgehend an die historischen Tatsachen gehalten. Für die politischen Szenen hat Höft Äußerungen von Radek, Lenin oder Trotzki aus Originaldokumenten übernommen, sie gekürzt und anders zusammengestellt, ohne aber deren Inhalt zu verfälschen. Radeks Treffen mit Rosa Luxemburg, Trotzki, Stalin und Hitler entsprangen allerdings der Fantasie des Librettisten.
Mehr zu allen aktuellen Berichten und Ö1 Übertragungen von den Bregenzer Festspielen in Ö1 - Der Festspielsender
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Montag, 21. August 2006, 23:05 Uhr
Links
mica - Richard Dünser
Bregenzer Festspiele
Wiener Concert Verein
Neue Oper Wien