Das neue Fremdenrecht und seine Folgen
Im Normendschungel des Fremdenrechts
Niederlassung, Aufenthalt, Asyl und Staatsbürgerschaft sind seit heuer gesetzlich neu geregelt. Durch ein schwer durchschaubares System, "das Behörden, Parteienvertreter und Betroffene vor schwierige Fragen stellt", meinen Experten.
8. April 2017, 21:58
Liese Prokop zur aktuellen Lage
Seit 1. Jänner 2006 ist das Fremdenrecht in Österreich völlig neu geregelt. Aufenthaltsbewilligungen und Asylanträge sinken seither. Das Gesetz zeige Wirkung, freut sich Innenministerin Prokop. Weniger erfreulich ist die Lage für viele Betroffene.
Klare Regelung
Österreich habe in den vergangenen Jahren seine Aufgabe als offenes Land für Zuwanderer und Hilfesuchende erfüllt, so Innenministerin Liese Prokop. Es müsse aber auch möglich sein, zu sagen, wen man wolle und wen nicht. Dies sei durch das neue Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz nun klar geregelt.
Im neuen Fremdenrecht gibt es 19 verschiedene Aufenthaltstitel. Ausdrücklich geregelt ist die Antragstellung aus dem Ausland: "Die Verpflichtung zur Auslandsantragstellung kann als Grundkonstante der relativ restriktiven österreichischen Migrationspolitik aufgefasst werden, so ein im Manz Verlag erschienener Leitfaden zum neuen Gesetz. Das Buch möge - so die Autoren (führende Mitarbeiter des Innenministeriums) im Vorwort - "allen Rechtsanwendern und Interessierten zur Orientierung im fremdenrechtlichen Normendschungel dienen.
Keine Dauerperspektiven mehr
Mit der Perspektive, Österreich schon demnächst verlassen zu müssen, ist z. B. eine junge Komponistin aus Georgien namens Maria konfrontiert. Maria lebt seit zwölf Jahren als Studentin in Wien. Derzeit arbeitet sie an einer musiksoziologischen Dissertation. Danach würde sie gerne als Künstlerin in Österreich bleiben.
Nach dem neuen Gesetz kann Maria ihren Status aber nicht umwandeln. Zudem sieht der Aufenthaltstitel "Künstler, den sie vom Ausland aus beantragen könnte, ausdrücklich keine Dauerperspektive vor. Mit entsprechend hochdotierten Engagements könnte die Studentin sich als "Schlüsselkraft qualifizieren. Nur als solche bekäme sie eine Niederlassungsbewilligung, die nach fünf Jahren in ein unbefristetes Daueraufenthaltsrecht münden kann.
Noch voriges Jahr hätte Maria die Staatsbürgerschaft beantragen können. Nun wird der Aufenthalt als Studentin nicht mehr angerechnet. Die Staatsbürgerschaftsnovelle sieht einen zehnjährigen Aufenthalt vor, und innerhalb von zumindest fünf Jahren muss überdies eine Niederlassung bestanden haben.
Humanität als Gnadenakt
Ein weiteres Beispiel für die erschwerten Bedingungen infolge des neuen Fremdengesetzes ist der 20-jährige Nigerianer Idede Otiemoria, Spitzname Mikel. Er flüchtete vor vier Jahren vor der Verfolgung durch die "Bakassi-Boys - einer Vigilantengruppe, der schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden - nach Österreich. Vor zwei Jahren erhielt er eine "humanitäre Aufenthaltsgenehmigung, mit der Auflage, einen Job zu finden.
Unter anderem, weil sich in seinem Fall der potenzielle Arbeitgeber um eine Beschäftigungsbewilligung kümmern muss, ist ihm dies trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen. Stattdessen besucht er das Abendgymnasium, hat bereits drei Teilprüfungen zur Matura abgelegt und würde gerne Medizin studieren. Im März lief sein humanitärer Aufenthalt aus und wurde nicht mehr verlängert.
Mikel ist nun eigentlich illegal in Österreich. Was seine Lage dabei nicht gerade erleichtert: Er bekommt ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung und ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit. Seine größte Sorge ist, dass er abgeschoben werden könnte - trotz Beteuerungen aus dem Innenministerium, dies würde so lange nicht geschehen, solange "sein Fall bearbeitet werde.
In Österreich besteht kein Rechtsanspruch auf einen humanitären Aufenthalt. Dieser wird "von Amts wegen nach einer Einzelfallprüfung erteilt. Mikels Rechtsvertretung weist darauf hin, dass sich an seiner Verfolgung im Heimatland nichts geändert hat. "Genau wie Asyl ist der humanitäre Aufenthalt kein Daueraufenthalt, sondern Hilfe im Notfall, so Innenministerin Prokop.
Die Auswirkungen des neuen Gesetzes
Eine erste Bilanz nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zeigt, dass die Zahl der Asylanträge im ersten Halbjahr 2006 um rund 30 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken ist. Insgesamt sei Österreich für Asylshopping und -missbrauch unattraktiv geworden, bilanziert Prokop zufrieden. Der Rechtsweg bis zur dritten Instanz ist nur noch vom Ausland aus möglich.
Drastisch - um mehr als 73 Prozent - zurückgegangen ist auch die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen, unter anderem deswegen, weil man nun echte Kriterien eingeführt habe, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts und eine echte Wohnung, dokumeniert Liese Prokop.
Mehr zum umstrittenen Staatsbürgerschaftstest in Ö1 Inforadio
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 14. August 2006, 18:25 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipp
Norbert Kutscher, Nora Poschalko, Christian Schmalzl, "Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht - Leitfaden zum neuen NAG samt Durchführungsverordnungen", Manz-Verlag, ISBN 3214003909
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Manz Verlag