Haydns Anteil an Tonsprache der Wiener Klassik

Michael Haydn, Wegbereiter

Er ist längst kein Geheimtipp mehr: Johann Michael Haydn (1737-1806), Joseph Haydns jüngerer Bruder. In der Kirchenmusik wie auch in seinem symphonischen Schaffen war er ein Wegbereiter. Und er hat großen Anteil an der Tonsprache der Wiener Klassik.

Introitus: Mozart- und Haydn-Requiem

Er ist längst kein Geheimtipp mehr: Johann Michael Haydn (1737-1806), der um fünf Jahre jüngere Bruder Joseph Haydns. Der Hauptteil seines kompositorischen Schaffens umfasste Kirchenmusik, er schrieb aber auch über 40 Symphonien. Im Zentrum steht diesmal die Frage: war er ein musikalischer Wegbereiter Mozarts?

Johann Michael Haydn war Geiger im Großwardeiner Orchester und wurde dort 1760 Kapellmeister. Mit seinem Hornkonzert erregte er 1762 Aufsehen im Wiener Burgtheater. In diesem Jahr wurde er an den Salzburger Hof als Konzertkapellmeister, danach auch als Organist an der Dreifaltigkeitskirche und später auch an den Dom verpflichtet.

Ein Wegbereiter

In der Kirchenmusik wie auch in seinem symphonischen Schaffen war Haydn in vielen Dingen ein Wegbereiter. Seine Vorliebe etwa, kleine Fugen oder fugierende Elemente in die Schlusssätze seiner Symphonien einzubauen, lässt ein Charakteristikum der klassischen Symphonie entstehen. Vor allem in Mozarts Finalsätzen finden sich dieselben "Fugenspiele".

Ähnlichkeit zwischen Mozart- und Haydn-Requiem

Frappierend ist außerdem die Ähnlichkeit von Mozarts Requiem mit Michael Haydns 20 Jahre früher entstandenem Requiem für Fürsterzbischof Sigismund von Schrattenbach. Stimmung und formaler Aufbau etwa des Beginns (Introitus) sind äußerst ähnlich: eine leise und in den Tiefen beginnende Melodie, die sich in kleinen Notenschritten bewegt, bei Haydn tragen die Streicher die Melodie vor, die Bässe skandieren einen gleichmäßiges Metrum, der Einsatz der Bläser beschränkt sich zunächst auf akkordische Einwürfe.

Bei Mozart: dieselbe Stimmung, eine leise, der Haydnschen durchaus ähnliche Melodie erhebt sich aus tiefer Lage, hier allerdings in Fagott und Klarinette, die Bässe skandieren wieder ein gleichmäßiges Metrum. Allerdings gibt es hier eine kleine rhythmische Raffinesse: Synkopen in den Streichern, also eine Betonung gegen das Grundmetrum, gegen die Hauptschläge im Bass. Dann setzt der Chor ein: Bei Haydn und Mozart in langen Noten, fugierend nach einander einsetzend, erst die unteren Stimmen, dann nach und nach die höheren.

Michael Haydns bedeutender Anteil

Man könnte sagen: das sind durch Text und Stimmung vorgegebene Konventionen - fugierender Beginn aus der Tiefe und lange Notenwerte auf "Requiem aeternam dona eis, Domine". Aber dann lassen beide Requien den Chor von allen Stimmen in rhythmischem Unisono (also alle Stimmen im gleichen Rhythmus und nicht fugierend oder irgendwie verschoben) das "et lux perpetua" erklingen. Frappierende Ähnlichkeiten zweier Werke, zwischen denen 20 Jahre liegen.

Es wäre unsinnig, Mozart (der diesen Beginn des von Süßmayr fertig gestellten Requiems durchaus noch selbst komponierte) den Vorwurf eines Plagiats zu machen, zumal er an diesem Beginn z.B. rhythmische Raffinessen einbaut, die seine Handschrift tragen bzw. die einer Musik, die eben 20 Jahre später entstanden ist. Mozart kopiert hier nicht, er übernimmt einen bestimmten Stil, den wir schon bei Michael Haydn höchst kunstvoll ausgeführt finden. Wieder einmal zeigt sich: Mozart ist kein Neuerer, er übernimmt, verfeinert und vervollkommnet musikalische Gattungen und Stile. Und: Michael Haydn hat maßgeblichen Anteil an der Tonsprache der Wiener Klassik.

Mehr zu Mozart 06 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 26. Juli 2006, 10:05 Uhr

CD-Tipp
Michael Haydn, "Requiem pro defuncto Archiepiscopo Sigismundo", The King's Consort, Choir of the King's Consort, Leitung: Robert King, Hyperion 2005

Links
AEIOU - Johann Michael Haydn
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006
Franz Xaver Süßmayr
Hyperion

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