Lyriker, Romancier, Dramatiker

Friedrich Hölderlin

Hölderlin ein Außenseiter? Ja! Sein Werk ist erstens lange Zeit hindurch verkannt worden, und zweitens: Er ist kein Klassiker, er ist kein Romantiker, das heißt er gehört zu jenen Dichtern, die keinen festen Platz in der Literaturgeschichte haben.

Hölderlin beschäftigte sich auch mit Moralphilosophie.

Die Literaturwissenschaft ist sich zwar des Ranges Friedrich Hölderlins sicher, aber man weiß nicht recht, wie man es qualifizieren soll. Hölderlin wurde am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geboren. Er hat sehr viel über die Landschaft, in die er hineingeboren wurde, reflektiert. Seine Gedichte atmen diese Atmosphäre, trotzdem ist er alles andere als ein Heimatdichter.

Entscheidend für die Bildung Hölderlins war sein Aufenthalt im Tübinger Stift. Das Tübinger Stift war so etwas wie eine Intellektuellenschmiede in der damaligen Zeit. Aber vor allem eines ist wichtig: Dieses Tübinger Stift war auch eine "Brutstätte", wie man es heute sagen würde, des revolutionären Geistes im Land.

Hölderlin versuchte sich vor allem auch als Philosoph und wir wissen, dass die Auseinandersetzung mit Hegel und Schelling, die im Tübinger Stift seine Zimmergenossen waren, zu einigen bedeutenden Texten geführt hat, die heute auch im Mittelpunkt der philosophischen Diskussion stehen.

Geistige Verwirrung?

Nach dem Tod von Hölderlins großer Liebe Susette Gontard stellen die Ärzte immer wieder seinen verwirrten Geisteszustand fest. Das Leben Hölderlins wird immer schwieriger, er zieht sich mehr und mehr auf sich zurück. Ein gütiger Tischlermeister namens Zimmer bietet ihm Unterkunft in seinem Haus. Dort lebt er gut betreut und freundlich versorgt bis zu seinem Tode im Jahre 1843.

Über diese Periode war sich die Hölderlin-Forschung lange Zeit uneins; er lebt also 27 Jahre in einem Zustand, den man früher als "geistige Umnachtung" bezeichnet hat, aber die Zeugen sprechen eine andere Sprache:

So besucht der Sohn des schwäbischen Dichters Gustav Schwab, Theodor, im Herbst 1840 Hölderlin und erzählt über diesen, "wenn man seine Fragen in ganz ruhigem, ordinären Ton an ihn richtet, dann erhascht man hie und da eine Antwort, die Sinn hat." Der Besucher traf den Kranken am Klavier - Hölderlin war ein ausgezeichneter Musiker, er spielte Flöte und Klavier. "Sein Spiel war sehr fertig und voll Melodie ohne Noten", berichtet er.

Klare Werk-Blöcke

Überblickt man die Werke Hölderlins, so gibt es einige klare Blöcke: zunächst einmal die frühen Tübinger Hymnen, den Roman "Hyperion", seine philosophisch-ästhetischen Schriften, die Oden, die vor allem in den 1890er Jahren entstanden, das Drama "Der Tod des Empedokles", die Übersetzungen, und zuletzt die Elegien und die großen Hymnen der Spätzeit.

Die frühen Tübinger Hymnen stehen ganz unter dem Einfluss Schillers, das antike Ideal wird darin emphatisch beschworen. All diese Hymnen sind gereimt und zeigen die unerfüllte Sehnsucht nach einem besseren, nach einem anderen Leben. Allerdings ist diese Stimmung auch durch einen starken zeitkritischen Unterton grundiert, er wendet sich auch gegen die Enge seiner Zeit.

Briefroman "Hyperion"

Die frühen Texte Hölderlins sind heute vergessen, sie spielen nicht mehr die zentrale Rolle wie vor allem sein Roman "Hyperion", an dem er lange Zeit gearbeitet hat. Dieser Roman hat, wenn man es heute unter die Romane einreihen will, eine eher seltsame, inhaltliche Kontur: Es ist ein Briefroman - sicher war hier Goethes "Wilhelm Meister" maßgebend -, aber: Es ist kein Roman mit einem Inhalt im strengen Sinne, obwohl es eine Fülle von Fakten gibt, die im Hintergrund stehen.

Es geht kurzum um den Befreiungskrieg der Griechen im Jahre 1770, also ein historisches Ereignis, und Hyperion nimmt an diesen Befreiungskriegen teil, allerdings - und das ist das Entscheidende - diese Teilnahme ist auch ein Moment der Enttäuschung, denn die Freischärler, die Hyperion befehligt, benehmen sich nicht so, wie sie es als echte Revolutionäre tun müssten: Sie plündern. Damit fühlt sich Hyperion als Betrogener. Er geht nach Deutschland, findet aber auch dort nicht das, was er sucht; ganz im Gegenteil: Er entdeckt, dass es in diesem Lande nicht weitergeht. Die berühmteste Scheltrede, die Hölderlin je geschrieben hat, findet sich in diesem Roman gegen Deutschland. Der Dichter, der lange Zeit eben als der Dichter Deutschlands schlechthin galt, hat in seinem "Hyperion" die Deutschen geradezu verflucht.

Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herren und Knechte, junge und gesetzte Leute, aber keine Menschen.

"Hyperion" ist ein Roman der Resignation, ein Roman der Melancholie, der Niedergeschlagenheit. Allerdings - und das ist sehr wesentlich - ist dieser Roman doch getränkt von einer politischen Substanz, die von den revolutionären Vorgängen in Frankreich imprägniert ist.

Großes Vorbild

Was den besonderen Rang Hölderlins in der Geschichte der deutschen Lyrik markiert, sind seine Elegien und vor allem die späten Hymnen. Diese Texte sind allerdings erst lange nach seinem Tod entdeckt und auch gewürdigt worden.

Noch zu seinen Lebzeiten, 1826, erschien eine Ausgabe der Werke Hölderlins, herausgegeben von Gustav Schwab und Ludwig Uhland. Allerdings enthielt diese Ausgabe nur die Texte der mittleren Periode. So blieb Hölderlin für lange Zeit einer jener vielen Dichter, die gerade das Schwabenland hervorgebracht hatte, deren großes Vorbild Schiller war und denen ein Ludwig Uhland, ein Gustav Schwab, ein Justinus Kern und später ein Eduard Mörike folgten.

Hör-Tipp
Literarische Außenseiter, Freitag, 14. Juli 2006, 22:15 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Links
Wikipedia - Friedrich Hölderlin
Projekt Gutenberg - Hölderlins Werke
Hölderlin-Gesellschaft

Übersicht

  • Literarische Aussenseiter