Harmonien vergangener Zeiten

Hat die Alte Musik eine Zukunft?

Der Klassik-Markt stagniert, mit "Alter Musik" verzeichnen Plattenfirmen aber steigende Verkaufszahlen. Warum gibt es den Boom von Konzerten und Opernaufführungen dieser stilistischen Richtung? Wollen Hörer in Harmonien vergangener Zeiten schwelgen?

Vieles hat sich in der Alten Musik Szene in den letzten Jahren verändert. Zum einen gibt es einen offenbar noch immer stärkeren Boom an Konzerten, Opern- und Oratorienaufführungen mit Musik früherer Jahrhunderte. Die Plattenindustrie - was die "Klassik" anbelangt stets jammernd - verzeichnet im Segment "Alte Musik" steigende Produktions- und Verkaufszahlen. Und es gibt auch immer mehr junge Musiker, deren Interesse auf Musik aus Mittelalter, Renaissance und Barock liegt.

Wieso es ein - offenbar immer größer werdendes - Publikum für Alte Musik gibt, darüber kann man wohl lange diskutieren. Zum einen wird es die Übersättigung an bereits Bekanntem sein: So wird heute ja nicht mehr darüber gesprochen, wie der eine oder der andere Komponist zum Beispiel die Geschichte des "Don Juan" vertont hat, sondern - weil es ja immer der gleiche "Don Giovanni" ist, der dargeboten wird - der Regie ein überdimensionales Gewicht gegeben. Offenbar hat das Publikum Lust, neue (Alte) Musik kennen zu lernen und schwelgt dabei noch in Harmonien vergangener Zeiten.

Quasi unendlich viel an Musik aus der Zeit vom Mittelalter bis ins späte 18. Jahrhundert gibt es noch zu entdecken. Tausende von Opern wurden komponiert, noch bevor Mozart eine Note aufs Papier brachte. In den vergangenen dreißig Jahren wurde vieles wiederentdeckt.

Die Musikgeschichte musste neu geschrieben werden: Wer kannte schon Werke von Marc-Antoine Charpentier, Johann Rosenmüller, die Opern von Jean-Philippe Rameau, Jan Dismas Zelenka oder Heinrich Ignaz Franz Biber als Komponist großer Sakralmusik? Die Entdeckungsreisen finden kein Ende! So wird der Lautenist Giovanni Girolamo Kapsperger erst langsam auch als Komponist von Vokalmusik wiederentdeckt.

"Musik soll den Verstand anregen und das Herz rühren", lautet das künstlerische Credo der Komponisten des Barock. Bei den "Internationalen Barocktagen Stift Melk" konnten wir einige Sternstunden der Musik erleben: Man denke nur an Vivaldis "Le quattro stagioni" mit "Il giardino armonico" 1993, wo beim "Winter" förmlich die Eiszapfen im Kolomanisaal sicht- und spürbar waren, an die Lieder und Tänze aus dem sonnigen Süden mit "L’Arpeggiata" oder an die Aufführung der "Missa Alleluja" von Heinrich Ignaz Franz Biber unter Konrad Junghänel.

Die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen und die Liste der in Melk aufgetretenen Künstler liest sich wie ein "Who's who" der Alten Musik: Ton Koopman, Philippe Herreweghe, Jordi Savall, William Christie, Giovanni Antonini, Reinhard Goebel, Konrad Junghänel, Hiro Kurosaki …

Für Nachwuchs ist gesorgt. Das zeigt sich immer wieder beim "Johann Heinrich Schmelzer Wettbewerb" in Melk, dem Wettbewerb für Alte Musik in Brügge oder dem "Premio Bonporti" im oberitalienischen Rovereto.

Junge Musiker aus nah und fern pilgern zu diesen Wettbewerben, um sich zu präsentieren. Generell ist das musikalisch-technische Niveau hoch. Erstaunlich bei den Preisträgern die außerordentliche musikalische Reife, das Wissen um die historischen Quellen und die Fähigkeit, sich am Podium zu präsentieren.

Eine dieser zukunftsträchtigen Gruppen ist das Ensemble Vivante aus Wien. Die Besetzung: Tore Tom Denys und Erik Leidal (Tenor), Daniel Pilz (Viola da gamba und Barockgitarre), Christopher Dickie (Theorbe und Barockgitarre), Reinhild Waldeck (Blockflöte und Harfe) sowie Anne Marie Dragosits (Cembalo und Orgel).

Das Repertoire: Musik aus der Monteverdi-Zeit. Im August erscheint die erste CD des Ensembles mit Arien und Instrumentalmusik von Giovanni Girolamo Kapsperger als Ersteinspielungen in der ORF Edition Alte Musik.

Somit wird sich die Welt der Alten Musik noch viele Jahre weiterdrehen!

Soli Deo Gloria

Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)

Mehr zu allen Ö1 Übertragungen von den Internationalen Barocktagen Stift Melk in Ö1 - Der Festspielsender

Links
Wikipedia - Marc-Antoine Charpentier
Wikipedia - Johann Rosenmüller
Wikipedia - Jean-Philippe Rameau
Wikipedia - Jan Dismas Zelenka
Wikipedia - Heinrich Ignaz Franz Biber
Wikipedia - Giovanni Girolamo Kapsperger
earlymusic.at - Ensemble Vivante
Johann Heinrich Schmelzer Wettbewerb
Internationale Barocktage Stift Melk
Festwochen der Alten Musik Brügge
Premio Bonporti 2005
Premio Bonporti 2006