Kolumne von Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre

Creative Class made in Austria

Kulturpolitik hat - nicht nur in Österreich - viel mit Vorstellungen nationaler Identität zu tun. Zugleich sind kulturpolitische Moden international erstaunlich gleichförmig, wie sich an dem Schlagwort der "Creative Industries" zeigt.

Das Schlagwort der "Creative Industries" boomt nunmehr seit gut einem Jahrzehnt von den USA bis Indien. Will man den Jubelschriften zu diesem Thema glauben, so handelt es sich hier um eine wirtschafts- wie kulturpolitische eierlegende Wollmilchsau: Arbeitsplätze werden geschaffen, Wirtschaftsstandorte boomen und die Kreativen können ihre Fähigkeiten in klingende Münze umwandeln.

Der US-amerikanische Bestsellerautor Richard Florida spricht gar von einer "Creative Class", von deren Aktivitäten die Zukunft urbaner Ökonomien abhängt. Eine solche soll nun auch in Österreich gefördert werden.

Hypes dieser Art sind immer mit Misstrauen zu betrachten: Oftmals zeigt sich, dass es doch recht selten und recht karg in den Geldbeuteln der Kreativen klingelt, die geschaffenen Arbeitsplätze zeichnen sich durch Prekarität und soziale Unsicherheit aus. Beim Standortwettbewerb sind zumindest ernsthafte Zweifel angebracht, wenn sich alle Regionen mit dem gleichen Konzept profilieren wollen.

Nationale Umsetzung internationaler Politkonzepte

Jedenfalls aber sind die Creative Industries als politisches Konzept wie auch als realer Wirtschaftsfaktor (welcher Bedeutung auch immer) eine internationale Realität, die sich zwar kritisieren, nicht aber wegleugnen lässt. Wobei die jeweiligen nationalen Ausgangsbedingungen die Entwicklung dieses Sektors entscheidend prägen.

In Österreich etwa sind die Creative Industries mit einer politischen Kultur konfrontiert, die sich durch ein einstmals umfassendes sozialstaatliches Modell und durch eine kulturpolitische Fokussierung auf das kulturelle Erbe auszeichnet.

Die Creative Industries stellen einen Bruch mit beiden Traditionen dar, sodass es wenig erstaunt, dass die politischen Maßnahmen zur Förderung dieses Bereichs eher durch Hilflosigkeit als durch klare Ziele gekennzeichnet sind. Inhalte und Struktur des kreativen Sektors, der durch öffentliche Finanzen geschaffen oder entwickelt werden soll, bleiben weitgehend verschwommen.

Was genau sind die Creative Industries? Wie unterscheiden sie sich von anderen Wirtschaftssektoren? Und wie kann eine einigermaßen nachhaltige Förderung dieses Sektors aussehen? Welche Arten von Finanzierung benötigen die Kreativen, damit sie irgendwann zu wirtschaftlichem Erfolg kommen? Welche sozialen Absicherungen sollte es für die kreativen Ich-AGs geben? Und, nicht zuletzt: Welche Schwerpunkte sollen sinnvollerweise unter Nutzung vorhandener Strukturen in Österreich gesetzt werden?

Die derzeitigen Förderungen auf Bundes- und regionaler Ebene fördern in erster Linie einmalige Projekte verschiedenster Ausrichtung. Projektförderung führt aber bekanntlich nicht zum Aufbau einer Infrastruktur und nicht zu einigermaßen stabilen Arbeits- und Lebensbedingungen.

Und je punktueller gefördert wird, desto geringer ist auch die Chance, dass sich eine lokale Szene bildet, sondern es bleibt bei der kurzfristigen Besserstellung von Einzelkämpfern. Dabei kommt es zur Wiederbelebung des Gießkannenprinzips, das möglichst breitflächig relativ geringe Förderungen ohne sichtbare Akzentuierungen verteilt. Ähnlich wie in der Kunstförderung wird dadurch statt Professionalität das "Weiterwurschteln" gefördert.

Zum Leben zuwenig ...

Die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, die sich gesamtgesellschaftlich zu einem der wichtigsten sozialen Probleme unserer Zeit entwickelt, ist im Bereich der Creative Industries ein fast Flächen deckendens Phänomen, auf das die Fördermaßnahmen nicht adäquat reagieren und das weder durch Kammern noch durch Gewerkschaften adäquat bearbeitet wird.

Damit aber bleiben diejenigen, die sich eine österreichische Creative Class à la Florida wünschen, deutlich hinter ihren eigenen Zielsetzungen zurück. Daher: Wenn in den Aufbau kreative Milieus investiert wird, sollte die Schaffung nachhaltiger Strukturen angestrebt werden.

Elisabeth Mayerhofer ist Kulturwissenschaftlerin, Gründungsmitglied von FOKUS, der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien, und Geschäftsführerin der IG Kultur.
Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin, Vorsitzende von FOKUS und stellvertretende Direktorin des EIF, Institut für europäische Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.


Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 2. Juli 2006, 22:30 Uhr

Download-Tipp
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Veranstaltungs-Tipps
14th International Conference on Cultural Economics, Donnerstag, 6. Juli bis Sonntag, 9. Juli 2006, Akademie der bildenden Künste Wien

STP&A 2006, Social Theory, Politics and the Arts, 32nd annual conference, Sonntag, 9. Juli bis Dienstag, 11. Juli 2006, Akademie der bildenden Künste Wien

Vorstellung der Förderprogramme von wwtf und departure für Creative Industries in Wien, Dienstag, 11. Juli, 18:00 Uhr, Akademie der bildenden Künste Wien

Links
Fokus - 14th International Conference on Cultural Economics und STP&A 2006
depature
Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds
Akademie der bildenden Künste Wien

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