Neues Museum in Gugging

Best of Art Brut

Auf dem Gelände des ehemaligen Psychiatrischen Zentrums Gugging, wird am 28. Juni 2006 das Museum Gugging eröffnet. Die Zeiten der Kunsttherapie sind allerdings längst passé - die Kunst aus Gugging ist auf dem Markt vollständig etabliert.

Johann Feilacher im Gespräch mit Rainer Rosenberg

Johann Feilacher, Bildhauer und Psychiater, hat das Bild der Gugginger Künstler in den letzten Jahren stark verändert. 1986 folgte er Leo Navratil als Leiter des "Zentrums für Kunst-Psychotherapie" und benannte es in "Haus der Künstler" um.

Museum und Stiftung

Auf dem Gelände der ehemaligen psychiatrischen Klinik ist nun auch ein Museum mit einer Ausstellungsfläche von 1.300 Quadratmetern entstanden: Das Museum Gugging, dessen Schwerpunkt die Präsentation der Werke der Künstler aus Gugging ist, zeigt darüber hinaus auch internationale Art-Brut-Werke, sowie auch Werke anderer Kunstrichtungen. Dem Museum ist die "Privatstiftung - Künstler aus Gugging" angeschlossen, die den dauerhaften Erhalt wesentlicher Werken der Gugginger Künstler sichern soll.

Marktorientierte Kunstproduktion

Seit den 1970er Jahren gehören jene Künstler, die unter dem Namen "Künstler aus Gugging" bekannt geworden sind, zu den wesentlichen Vertretern der Art Brut weltweit. Neben "Stars“ wie Johann Hauser, August Walla und Oswald Tschirtner haben sich auch viele andere auf dem Kunstmarkt etabliert. Im Museum Gugging ausgestellt werden Werke, die vom Markt und von Spezialisten anerkannt wurden. "Schlechte Bilder werden nicht gezeigt", meint Johann Feilacher.

Die erzielten Preise sind sehr unterschiedlich. Ältere, weltmarkterprobte Künstler Künstler wie Tschirtner erhalten selbst für kleine Aquarelle bis zu EUR 2.000 und sind finanziell unabhängig. Doch auch die jüngeren finanzieren ihr Leben zum Teil selbst.

Unabhängige Künstlergemeinschaft

Der Auswahlprozess der Künstler und Werke hat sich unter der Ägide Johann Feilachers maßgeblich geändert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Leo Navratil, steht ihm nicht mehr das Hinterland einer großen psychiatrischen Klinik zur Verfügung, um viel versprechende Künstler zu akquirieren - das "Haus der Künstler" ist zu einer unabhängigen Künstlergemeinschaft geworden. Derzeit leben und arbeiten dort neun Kreative, darunter auch "artists in residence".

Talent als oberstes Prinzip

Eine künstlerische Entwicklung ist in Gugging genauso gegeben wie überall anders auch. Der historische Begriff der "zustandsgebundenen" (und damit gleich bleibenden) Kunst scheint aus heutiger Sicht nicht mehr adäquat. Er wurde in den 1970er Jahren geprägt - am Beispiel von Künstlern wie Johann Hauser, der in seiner ersten Schaffensperiode nur während seiner manischen Ausbrüche zeichnete. Auch in der Kunst der psychedelischen Ära galten Wahnsituationen als Mittel, verborgenes Genie zu entfesseln.

Art Brut als Schule ohne Richtung

Art Brut bezeichnet nicht nur das oft "raue" künstlerische Produkt, sondern auch die Herangehensweise der Künstler an ihr Metier. Auffallend ist hierbei ihr geringes - bis nicht vorhandenes - Interesse für die Arbeiten von Kollegen. Natürlich genießen die Künstler aus Gugging in gewisser Hinsicht mehr geistige Freiheit als der klassische Künstler mit Ausbildung und Kunstgeschichte-Kenntnissen. Die Gefahr des bewussten oder unbewussten Plagiats ist ausgeblendet. Sie müssen nicht erst das Erlernte überschreiten, um einen singulären Weg zu gehen.

Gugging hat sich von der geschlossenen Anstalt zum Kommunikationszentrum entwickelt. Den bevorstehenden Einzug der neuen Universität bewertet Johann Feilacher positiv. Nach dem Vorbild des amerikanischen Campussystems ist die Nachbarschaft von Kunst und Wissenschaft eine fruchtbare. Damit werde der Abbau des mit der einstigen Psychiatrie verbundenen Images schneller gelingen: "Wir wollen Gugging positiv positionieren - als 'Best of Art Brut'".