Richard Sapper und seine Design-Klassiker

Der Form einen Sinn geben

Richard Sapper zählt seit mehr als einem Vierteljahrhundert zu den bedeutendsten internationalen Designern der Welt. Seine Arbeiten sind Ausdruck eines neuen Berufs-Bewusstseins, in der sich der Designer nur als Medium im Entwurfsprozess begreift.

Ist Designer ein Beruf, um die Welt schöner zu machen?

"Der Form einen Sinn geben" formuliert der Stardesigner Richard Sapper seinen methodischen Ansatz für sein Schaffen und distanziert sich dadurch von der Tradition deutscher Funktionalisten mit dem Leitmotiv "form follows function".

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert prägt der in Mailand lebende gebürtige Münchener nun schon das Berufsbild des Designers. Seine Klassiker zeugen von Genialität. Sie sind von unterschiedlicher Formsprache und in nahezu allen Lebenswelten vertreten.

Qualität entscheidend

"Wenn ich mich für ein spezielles Produkt entscheide - eine Uhr, einen Anzug -, dann sage ich immer etwas über mich selbst aus", sagt Richard Sapper über sich und seine Arbeit. Nicht der Stil eines Entwurfes sei für ihn dabei das Entscheidende, sondern seine Qualität, unabhängig von der Stilrichtung. Für diese Qualität lässt er sich auch Zeit, denn seine Entwürfe sind das Resultat eines langsamen Entwicklungsprozesses.

So wurde etwa ein Bestecksystem für Alessi - einer der zahlreichen Entwürfe, die für viele als Ikonen italienischen Designs gelten - erst nach 16 Jahren produziert. Auch die Entwürfe für Radio- und Fernsehgeräte, die er gemeinsam mit Marco Zanuso für die Firma Brionvega realisierte, zählen dazu.

Werkzeuge für das Leben ...

... heißt der Titel der von Uta Brandes 1993 erschienenen Monografie über den Designerkünstler. Am Cover dieses Buches sieht man eine Abbildung von Sappers wohl bekanntestem Entwurf: die Arbeitslampe "Tizio" - die erste Tischlampe, die die Niedervolt-Halogen-Technik eingesetzt hat, wie sie bis dahin vor allem im Automobilbau verwendet wurde.

Richard Sappper hat aber auch eine automobile berufliche Prägung. 1956 arbeitete er für die Styling-Abteilung von Mercedes-Benz. Von ihm stammt auch das Design des stromlinienförmigen Rückspiegels für den Mercedes Sportwagen 300 SL, der Vorbild für zahlreiche Sportwagenrückspiegel in den Jahren danach werden sollte.

Ein Notebook namens "Butterfly"

Manchmal wird bei seinen Entwürfen die Gegenwart von der Zukunft eingeholt - etwa bei seinem viel gepriesenen Design für ein IBM Think-Pad-Computer-Notebook. Dieses Notebook erhielt den Namen "Butterfly" - "Schmetterling", weil beim Öffnen des Computers die Tastatur ausfaltete - wie die Flügel eines Schmetterlings.

"Das Gerät war von der Technik her nicht außergewöhnlich überlegen. Aber die Umfragen haben belegt, dass über 30 Prozent der Kunden ein Thinkpad kauften, weil es eben gut aussah und sich von Konkurrenzprodukten deutlich unterschied", sagt Sapper, der übrigens noch heute für das Erscheinungsbild des Computerriesen IBM verantwortlich ist.

Trittroller für den Nahverkehr

Richard Sapper erhält immer mehr Anfragen für Projekte, als er eigentlich annehmen kann. Aber er arbeitet nicht nur auf Auftrag. Mitunter fällt ihm eine Lösung für ein Problem ein, das zuerst nur ihm auffällt. So hat er bereits 30 Jahre vor dem gegenwärtigen Boom von Trittrollern für Erwachsene einen Trittroller für den Nahverkehr entwickelt.

A propos Rad: Bei der Ausstellung "Schöner Verkehr" im Wiener Museumsquartier war übrigens ein Exponat mit dem Titel "Zoom-Bike" zu bewundern, das Zapper in zehnjähriger Entwicklungsarbeit schuf. Produziert wurde allerdings nur eine Kleinserie. Der Entwurf Sappers war eher für die Flugzeugindustrie geeignet als für traditionelle Fahrradbauer. Und so wartet der Entwurf sozusagen bis heute auf einen neuen Hersteller ...

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Funktionalität contra Schönheit

In den vergangenen Jahrzehnten waren in den allermeisten Fällen noch die Ingenieure stärker als Designer, also die Funktionalität triumphierte über das Aussehen. Heute ist das zwar nicht umgekehrt, aber schon ausgeglichener. Sapper dazu:

"Bei vielen Dingen, die wir heute als schön oder als ästhetisch bezeichnen, ist es doch so, dass wir uns erst daran gewöhnen mussten. Glauben Sie, dass der Käfer so ausgesehen hätte, wenn es Marktforschung gegeben hätte? Oder der R4 von Renault ...? Als es die ersten Bilder gab, sagten viele: 'Das Ding ist sogar zum Klauen zu hässlich! Dennoch hat der R4 sich als phantastisches, erfolgreiches Auto etabiliert".

Teamarbeit wichtig

Beim Gestalten, Dinge entwerfen, Zeichnen huldigt Sapper keinem wie immer gearteten Geniekult. Im Gegenteil, er glaubt an die Teamarbeit, nennt bei vielen Gelegenheiten seine Projektpartner und glaubt mehr an die Fähigkeiten der Einzelnen als viele Menschen selbst. Der Stardesigner schätzt die Zusammenarbeit, auch jene zwischen Lehrern und Schülern. Immer wieder hat er Studenten eingeladen, mit ihm zu arbeiten. Viele davon wurden ständige Mitarbeiter.

Richard Sapper hat auch die Impulse, die er als junger Deutscher in Mailand bekam, nie vergessen. Philosophie, Wirtschaft, Anatomie, Maschinenbau und Graphik - allein die unterschiedlichen Studienrichtungen, die er dort belegt hat, zeigen seine vielfältigen Interessen und die Suche nach "integralen" Lösungen.

Die Sprache der Dinge

Analytisches Denken und gesamtheitliche Anwendung sind bei dem Stardesigner kein Widerspruch. Das mag man bei Wasserkesseln finden, bei Uhren, Fahrzeugen oder elektronsichen Geräten. Als Beispiel dazu nennt er die 26 Buchstaben des Alphabets: "Man kann sie verwenden, um fast alles auszudrücken, aber doch besteht die Gefahr, durch das Zerlegen und Zusammenbauen am Wesen der Dinge vorbeizugehen".

Die Entwicklung industriell hergestellter Gegenstände prägt das Leben Richard Sappers, aber auch die Natur, das Blatt, der Geschmack der alten Apfelsorte faszinieren ihn zutiefst. Und so hält er in seinem Denken nicht nur Plätze für Inspirationen technischer Art frei, sondern ist auch aufmerksam für die Geschenke ganz anderer Art - zum Beispiel, wenn er auf Reisen ist; und das ist er oft: "Ich kann überall auf der Welt arbeiten, wenn nur ein Flughafen in der Nähe ist".

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 25. Juni 2006, 14:10 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Richard Sapper, "Werkzeuge für das Leben", Steidl-Verlag, Göttingen 1993, ISBN 3882432489

Links
The Ide Virtual Design Museum - Richard Sapper
Goethe-Institut - Design und Mode
Schöner Verkehr