Was Berührungen in uns auslösen können
Berührungen
Berührung zwischen zwei Menschen ist immer auch eine Geste. Sie kann einen Menschen einladen zu weinen oder sich zu beruhigen. Berührung dient der Seele dazu, Gefühle ins Gleichgewicht zu bringen. Wissenschaftler sprechen von Affektregulation.
8. April 2017, 21:58
Berührung dient der Seele dazu, Gefühle ins Gleichgewicht zu bringen. Amerikanische Neurowissenschaftler machten dazu ein Experiment. Sie baten Ehepaare ins Labor. Die Frauen erhielten leichte Elektroschocks am Knöchel, dabei zeichnete man ihre Gehirnaktivitäten auf.
Dann bat man die Ehemänner, ihrer Frau die Hand zu halten. Sofort beruhigten sich bei den Frauen diejenigen Hirnregionen, die vorher den Stress anzeigten. Berührung kann also Stress mindern. Sie vermittelt einem Menschen, dass er von einem anderen beachtet wird.
Neurobiologische Reaktionen
Das gehört ohnehin zum Erfahrungsschatz eines einfühlsamen Umgangs zwischen Menschen. Nun wird dies auch von der neurobiologischen Forschung bestätigt, sagt die deutsche Psychotherapeutin Luise Reddemann: "Wissenschaftlich gesehen ist es so, dass als angenehm erlebte Berührung dazu führt, dass ein bestimmtes Hormon, das heißt Oxytocin ausgeschüttet wird, und dieses Hormon hilft uns Stress abzubauen, uns wohl zu fühlen, uns als soziale Wesen zu verhalten und sogar auch besser zu lernen."
Oxytocin leitet bei Frauen die Wehen ein und macht diese erträglicher; später lässt es die Milch einschießen. Das Hormon fördert die Bereitschaft, sich an einen anderen Menschen zu binden. Und es lässt uns entspannen, wenn wir berührt werden.
Berührung beruhigt und schafft Bindungen
Sind Menschen in Gruppen in Panik, fassen sich Wildfremde einander an, um sich zu beruhigen. Wie die Bonobos, die kleinen Schimpansen, die 98 Prozent der Gene mit dem Menschen gemein haben: Bei Stress hocken sie sich zusammen und halten sich aneinander fest. Bonobos tun allerdings noch mehr: Sie paaren sich dann häufiger, als sie es sonst tun. Auch sexuelle Aktivität kann Stress reduzieren.
Kinder suchen bei Angst oder Schmerz den körperlichen Halt bei ihren Eltern. Aus gelungener Berührung entsteht Bindung. Die amerikanische Säuglingsforscherin Beatrice Beebe fand heraus, dass sich aus der Art und Weise, wie eine Mutter ihren vier Monate alten Säugling berührt, voraussagen lässt, wie sicher ein Kind im Alter von einem Jahr an die Mutter gebunden ist.
Das Gleiche gilt umgekehrt: Ungute Berührung kann den Aufbau einer guten Bindung stören. Berührung formt das Bild von sich selbst und das Gefühl zu sich selbst, sagt der Basler Psychiater und Psychotherapeut Joachim Küchenhoff.
Berührung schafft Kontakt
Wenn wir an der Haut berührt werden, wird auch die Seele berührt, wenn der Berührende uns in diesem Sinne berühren möchte.
Es gibt in der Heilkunde auch andere Berührungen, zum Beispiel die Berührung eines Masseurs, der einen verspannten Muskel lockern will. Solche Berührungen helfen, dass die körperlichen Funktionen ins Gleichgewicht kommen, wie zum Beispiel das Verhältnis von Spannung und Entspannung in der Muskulatur. Auch das kann seelische Nachwirkungen haben, etwa dass wir uns nach einer Massage ausgeglichener fühlen.
Heilende Hände
Was eine Berührung bewirkt, hängt mit der Absicht des Berührenden zusammen. Therese Meehan führte in New York ein Experiment durch, bei dem Krankenschwestern dem Körper des Kranken mit ihren Händen "zuhören" und die Hände dorthin legen sollten, wo sie eine Ansammlung von Spannungen bemerkten.
Eine Gruppe von Schwestern sollte einfach die Hände auflegen, die andere sollte es tun mit der inneren Absicht zu heilen. Nur bei dieser Gruppe zeigte sich ein Effekt bei den Patienten: Bei Hirnstrommessungen hatten sie mehr Alpha-Wellen mit hohen Amplituden, ein Zeichen für tiefe Entspannung. Herzkranke, die so berührt wurden, zeigten weniger Angst.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 22. Juni 2006, 19:05 Uhr
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