Axl Rose, das Anagramm
(Jetzt auf Nostalgisch)
4.321 Zeichen (mit Leerzeichen) sind viel zu viel. Die Internetredaktion war so freundlich, eine Ausnahme durchgehen zu lassen. So bleibt hier nur noch zu sagen: Wenn Sie zu Hause ein Kulturradio haben, lassen Sie die Leute nie über Axl Rose schreiben!
8. April 2017, 21:58
(Jetzt der Anfang.) Es wurde tatsächlich ein Teppich ausgerollt. Die Königliche Kreissäge entkam meinem Blick nicht. Nicht die Sonnenbrille konnte ihn verstecken und nicht die neue Frisur. (Jetzt etwas ganz Persönliches.) Näher war ich Axl Rose nur, als mein Zimmer mit ihm tapeziert war. (Jetzt vom Konkreten zum Allgemeinen.) Es ist so: Manchmal denke ich, wir sehen alles, das weiter zurück liegt als unser letzter Vollrausch, nostalgisch. Ich sehe das letzte Wochenende nostalgisch, als ich bei einem Festival für populäre Rockmusik anwesend war. (Jetzt den Rotzbuben raushängen lassen.) Selbst im VIP-Bereich, in welchen ich geschmuggelt worden war, kostete ein doppelter Wodka fünf Euro. Kein Wunder. Die Combo Metallica nahm für ihren Auftritt eine Million Euro. Und hat garantiert gratis gesoffen.
(Jetzt etwas über die schöne Kunst der Poesie.) 2000 und mehr Jahre Literaturgeschichte haben der Alliteration echt nicht geschadet, sie leuchtet heute noch wie ein weißes Kätzchen bei Gewitter. Oder sehen Sie das anders? (Jetzt eine Übertreibung.) Ich diskutiere das gerne mit Ihnen. Nehmen wir uns eine Nacht Zeit und reden wir ganz zwanglos drüber. Ich sage dann: "Gut, ob die Gewitter in der Antike nicht ein klein wenig anders waren als heute, weiß ich nicht, aber vielleicht waren dann auch die Kätzchen anders, und so könnte es durchaus sein, dass Kätzchen und Gewitter dasselbe Paar waren wie heute", und dem ist schwer zu widersprechen, finde ich. (Jetzt ein Absatz.)
(Jetzt die Todsünde des Kommentators.) Ich schweife ab ...
(Jetzt die Buße.) Auch Freund M. spielte mit seiner Kapelle ein Konzert bei dem Rock-und-Roll-Fest. (Jetzt ein langer Satz.) Nostalgie erwächst aber nicht aus opportunistisch reanimierten Freundschaften - haben wir uns doch nicht zuletzt aufgrund seiner Musikantenkarriere ein wenig aus den Augen verloren und treffen wir einander doch meist bei seinen Konzerten, ja, gut, ich bin vor ein paar Jahren nach Graz gezogen, auch das errichtete eine gewisse Distanz zwischen uns, und dann wurde ich Vater und mag dadurch ein bisschen Märchengestalt geworden sein für jenen M., mit dem ich eigentlich viele Jahre auch in einem Bettchen geschlafen hatte, mit dem ich mich da in den Schlaf gekudert und am nächsten Abend schon wieder dem Gitarrenspiel hingegeben hatte, bei dem ich mich ausheulte, als ich recht wenig vom Leben hielt, hinter dessen Rücken ich mit seiner noch nicht Ex poussierte, der doch auch ein paar meiner Bekanntschaften ebenfalls näher kennen gelernt hatte -, sondern aus hinterlassenen Standards.
Jawohl.
(Jetzt aber!) So werde ich rollig, wenn ich an das Konzert des Sängerknaben Axl Rose denke, Frontmann des rustikalen Rock-Ensembles Guns N' Roses, zu Deutsch Waffen und Rosen, was völliger Nonsens ist. Völlig unsinnig verrückt nach denen war ich mit dreizehn oder vierzehn. Freund M. kann bezeugen, dass ich schon damals sagte, ich hätte lieber mit Axl Rose Anagrammatisches als mit der in jenen Tagen von vielen Bartlosen mit einem leichten Buckelchen im Höschen beäugten Claudia Schiffer. Nicht, dass ich beim Gedanken an Axl wirklich ein Buckelchen bekommen hätte - nein, meine Affinität war eine Frage des Stils. Und wahrer Stil ist zeitlos, was sich darin bestätigt, dass jene heute Bärtigen immer noch Buckelchen bekommen, wenn sie an Claudia Schiffer oder eine ihrer Nachgeborenen denken. Lassen Sie mich festhalten, dass sowohl Frau Schiffer als auch die Folgeprodukte mich extrem kalt lassen. Axl Rose interessiert mich hingegen immer noch, rein sexuell. Wie Caspar Einem oder Thomas Bernhard ist auch er eine Diva, anders als Letzterer lebt er noch so halb. Im Backstage-Bereich hat er einen eigenen, noch hintereren Bereich, weil er nicht in die Nähe des restlichen berühmten Pöbels mag und wegen des Anagramms.
Man rollte tatsächlich einen Teppich aus. Mit Recht, wie sich später, bei seinem Auftritt zeigen sollte. (Jetzt tausend Zeichen streichen. Wir sollen immer so ungefähr 3.000 Zeichen machen. Wenn es mehr sind, tritt die Internetredaktion zusammen und kürzt mit vereinten Kräften von hinten ein. Früher wurde viel mehr von hinten eingekürzt. Als wir noch mit der Schreibmaschine unsere Texte schrieben, noch lange kein Internet hatten, sondern an den Morsestationen saßen.
Manchmal sehne ich mich zurück in jene Tage. Jetzt sind es 4.321.)
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