Raum zum Ausdehnen und Bewegen

Wie viel Platz braucht der Mensch?

Den einen fällt in ihrem Loft die Decke auf den Kopf, den anderen ist eine Einzimmerwohnung noch zu weitläufig. Bei Tieren gibt es genauere Bestimmungen. Wie viel Platz Goldfische brauchen, kann man nachlesen. Beim Menschen fehlen konkrete Richtwerte.

Was bedeutet Platz?

Die ersten neun Monate des Lebens reicht der Mutterbauch aus, damit ein Mensch all das bekommt, was er braucht. Doch das währt nicht lange. Das Verlangen nach mehr Platz wächst ständig. Zuerst wird der Bodenraum auf allen Vieren erobert, dann ein eigenes Zimmer beansprucht, bis schließlich das elterliche Heim verlassen wird und sich der Jungmensch zu neuen Ufern aufmacht.

Das Bedürfnis nach Wohnraum hat sich im Lauf der Menschheitsgeschichte kaum verändert. Anders die vorhandene Wohnfläche. Hatte ein Mensch in Österreich im Jahr 1960 rund 20 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung, so sind es heute an die 40 Quadratmeter. Klingt eigentlich hervorragend, lässt man die um bis zu 50 Mal höhere Bevölkerungsdichte in der Stadt außer Acht.

Stadt - Land

In öffentlichen Verkehrsmitteln müssen die Städter um ihr Territorium kämpfen, sich die Ellenbogen der Mitfahrer/-innen aus dem Gesicht streifen und Fassung bewahren. Bei Bedrohung des eigenen Territoriums entsteht Aggression.

Bei Tieren wird das damit begründet, dass sich eine Lebensform in einem Territorium möglichst weit verbreiten soll, damit dem Bestreben nach bestmöglicher Befriedigung der eigenen Bedürfnisse entsprochen werden kann.

Öffentlicher Raum

Tierversuche haben gezeigt, dass die Reduktion des persönlichen Raums zu wesentlichen physiologischen Einschränkungen führen kann. Beim "Crowding" - bei hoher sozialer Dichte - werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, was zu einer Einschränkung der Fortpflanzungsbereitschaft führen kann.

Beim Menschen ist der Sachverhalt nicht ganz so drastisch, erzählt der Psychologe Rainer Maderthaner. Die Nähe von unbekannten Menschen löst jedoch schon bei einer Annäherung auf zwei Meter eine Beschleunigung des Herzschlags und der Atmung aus. Das konnte bei Versuchen in einer Wartezimmersituation festgestellt werden.

Mein Bereich - dein Bereich

Soziale Kompetenz ist gefragt. Vor allem in ungewollt engen Situationen, wie in Großraumbüros. Auch wenn der eigene Platz noch so klein ist, eine klare Kennzeichnung bringt die Sicherheit einer potentiellen Rückzugsmöglichkeit - ein unabdingbares Feature zur Vermeidung von Konflikten. Einen Richtwert für die Größe von Arbeitsplätzen hat das Deutsche Institut für Normung (DIN) herausgegeben. Der Flächenbedarf für Bildschirmarbeitsplätze beträgt mindestens acht bis zehn Quadratmeter. Ein Büroraum soll mindestens 2,50 Meter hoch sein. Jeder Beschäftigte muss sich am Arbeitsplatz frei bewegen können und sollte mindestens 1,5 Quadratmeter unverstellte Bodenfläche zur Verfügung haben.

Neben der Persönlichkeitsstruktur - introvertierte und aggressive Personen brauchen mehr Raum als extrovertierte - ist das Verlangen nach persönlichem Raum auch vom Lebensabschnitt und dem sozialen Status abhängig. Nicht zuletzt sind der Breitengrad und die kulturellen Zugehörigkeit von Bedeutung.

Himmel und Erde

Die Ordnung des Himmels auf die Erde zu übertragen, ist den Menschen seit jeher ein Anliegen. Wasserstraßensysteme im ägyptischen Raum wurden ebenso nach astronomischen Modellen gebaut wie die Zikkurat-Architekturen der indianischen Hochkulturen. Der englische Baumeister Christopher Wren entwickelte Ende des 17. Jahrhunderts die Stadterweiterungspläne für London nach römischem Vorbild. Und der Broadway im New Yorker Manhattan geht auf einen alten Indianerpfad zurück und konnte als einziger der Lineatur des Schachbrettmusters standhalten.

Hör-Tipp
Moment, Dienstag, 13. Juni 2006, 17:09 Uhr

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