Wirtschaftliche Aspekte zur Fussball-WM

Der große Kick beim Geldverdienen

Fußball-Weltmeisterschaften sind nicht nur sportliche, sondern auch wirtschaftliche Großereignisse. Die Austragungsländer investieren Milliarden. TV- und Radiostationen zahlen für Übertragungsrechte Millionen; auch die Fans lassen sich ihre Begeisterung einiges kosten.

Hubertus Pellengahr über die Erwartungen im Einzelhandel

Am Freitag, 9. Juni. 18:00 Uhr, war es wieder soweit. Mit dem Match Deutschland gegen Costa Rica wurde in München die Fußball-WM 2006 angepfiffen. Seit der WM-Vergabe an die Bundesrepulbik im Sommer 2.000 machte sich das Land fit für dieses sportliche Großereignis, das bis 9. Juli weltweit Milliarden Menschen via Medien miterleben werden.

Besonders die Wirtschaft hat euphorisch auf das vierwöchige Event mit Ballcharakter reagiert. Die Erwartungen sind jedenfalls hoch, das Turnier wird als Volltreffer für die lahmende Konjunktur bezeichnet. Dennoch ...

Wer profitiert am meisten?

Unbestreitbarer Gewinner an der Weltmeisterschaft 2006 ist von vornherein der Internationale Fußballverband FIFA mit seinem Präsidenten Joseph S. Blatter. Allein die Sponsoren und Übertragungsrechte bescheren der FIFA mit Sitz in Genf nach offiziellen Angaben Fixeinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Der Veranstalter ist der Monopolist in Sachen WM. Registriert als Non-Profit-Verein genießt er Steuerfreiheit in Deutschland. Laut Finanzministerium haben dieses Privileg neben der FIFA selbst auch ihre Offiziellen, Gäste, Kongressteilnehmer und Schiedsrichter.

Der Weltverband kann es sich leisten, die Spielregeln für die potenziellen Ausrichter zu diktieren, denn die Ware Fußball ist heiß begehrt - so heiß, dass sie nach einer Schätzung des Bundestages etwa 250 Millionen Euro ausmacht. Das Organisationskomitee wird froh sein, wenn es mit einer schwarzen Null bilanziert.

Immens hohe Investitionen

Wenn die Fans im Stadion sind und der Ball erst einmal rollt, dann hat jedes Spiel seine eigene Dramaturgie, wie intensiv auch die Vorbereitung gewesen sein mag. Es gilt die Allzeit-Floskel von der "Wahrheit, die auf dem Platz liegt". Deutschland sieht sich für das Spektakel gut aufgestellt. Zwölf Städte und Umgebung galt es WM-fit zu machen. Allein in den Neu- oder Umbau der Stadien haben Bund, Länder und Gemeinden 1,5 Milliarden Euro gesteckt. Über Jahre waren die Auftragsbücher der Baubranche voll, weil die Infrastruktur auf den neuesten Stand gebracht worden ist.

Für Europas größte Volkswirtschaft war das jedoch höchstens ein Impuls. Olaf Tölke von der Rating-Agentur Standard and Poors erwartet einen zusätzlichen Betrag von fünf Milliarden Euro zum Bruttosozialprodukt in diesem Jahr - eine Steigerung der Wachstumsrate um 0,25. Seine Schätzung basiert vor allem auf den Erfahrungen der WM in Frankreich vor acht Jahren.

Die Erwartungen im Fremdenverkehr

Optimismus ist das Gebot der Stunde. Das gilt besonders für den Fremdenverkehr. Zumindest einige der WM-Städte wie Köln, Hamburg, München oder Berlin sind schon jetzt Anziehungspunkte für Touristen. Die Fußball-Weltmeisterschaft - so die Hoffnung - wird Gusto auf das noch nicht erschlossene Sommerreiseland machen. Von einer einzigartigen Chance spricht Petra Hedorfer, Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus. Sie erwartet fünf Millionen Übernachtungen zusätzlich. Allein in Berlin soll eine Million erreicht werden. Dieser Optimismus wird aber nicht von allen geteilt ...

Gerd Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung weist darauf hin, dass auch die letzte WM auf europäischem Boden - jene in Frankreich - nicht erkennbar zusätzliche Besucher ins Land gebracht habe. Das gelte ebenso für Portugal, Schauplatz der Europameisterschaft vor zwei Jahren. Die Zunahme werde - wenn überhaupt - marginal sein, sagt Wagner.

Erste positive Auswirkungen

Hohe Profitzuwächse sieht man allerdings schon jetzt im Dienstleistungsgewerbe, nicht nur im horizontalen. Einen regelrechten Boom verzeichnet etwa das Geschäft der Sicherheitsfirmen. Sie werden für Ordnerdienste in und um die Stadien gebraucht sowie für die vielen öffentlichen Plätze, die die WM-Spiele zeigen. Viel Personal ist gesucht und gefunden worden. Nur wenige von ihnen werden durch die WM jedoch dauerhaft einen Job haben. In Summe 50.000 Stellen sollte die WM dem Land bringen, bis jetzt sind es aber erst 20.000 geworden.

Auch Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels, konstatiert eine Vorfreude auf die WM, die die Kauflust schon angetrieben habe. Er rechnet mit einem regelrechten Wachstumsschub, vor allem wenn während der Weltmeisterschaft die Läden de facto rund um die Uhr offen haben dürfen. Zwei Milliarden Euro mehr sollen in die Kassen kommen.

Erste erhebliche Umsatzzuwächse gebe es auch bereits im High-Tech-Bereich, erzählt Michael Malessa, der in Berlin einen MediaMarkt leitet - Effekte, die bis zum Weihnachtsgeschäft anhalten sollen, weil ab Jänner die Mehrwertsteuer um drei Punkte erhöht wird.

Gewinngarantie für Sportartikelbranche

Auf die Zeit vor und während der WM setzt natürlich auch die Sportartikelindustrie. Puma - die Nummer drei in Sachen Fußball - rüstet nominell die meisten Teams aus. Nike hat mit Brasilien den Titelverteidiger und Favoriten unter Vertrag. Beide rechnen in der Sparte Fußball fest mit einem zweistelligen Umsatzplus.

Auch Adidas rechnet mit hohen Umsatzsteigerungen. Der WM-Sponsor und Lizenznehmer sowie Ausstatter der deutschen WM-Mannschaft hat seine bisher umfangreichste Marketing-Kampagne gestartet. Die Firma aus Herzogenaurach will 1,5 Millionen Trikots und 15 Millionen Mal den offiziellen WM-Ball verkaufen. Das Turnier ist für Unternehmenssprecher Jan Runau ein "Heimspiel mit Gewinngarantie".

Heimvorteil nutzen

Auch die Deutsche Telekom - ebenfalls einer der 15 internationalen FIFA-Partner - steckt hohe Erwartungen in die WM. An die 40 Millionen Euro hat sie an den Weltverband überwiesen. Das ist ungefähr ein Drittel der Summe, die sich der Bonner Konzern die WM-Teilnahme kosten lässt: "Gut investiertes Geld", sagt Stefan Althoff, zuständig für das Sponsoring, denn die Telekom werde etwa 350 Millionen Euro Umsatz generieren, auch mit Übertragungstechnik.

Der WM-Start der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist geglückt. Ein 4:2-Sieg gegen Costa Rica lässt jedenfalls mehr erwarten. Ob es allerdings dazu kommt, bleibt dahingestellt. Aber - so versuchen Politik wie Wirtschaft in Deutschland glaubhaft zu machen - je weiter die Mannschaft im Turnier kommt, desto besser sei es für die Konjunktur im Land.

Mehr zur Fußball WM in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 9. Juni 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
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Links
Weltmeisterschaft 2006
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