Im Vergleich: Capucon/Ducros - Kremer/Afanassiev
Schuberts Fantasie in C-Dur
Mit knapp 30 Minuten ist es als Kammermusikwerk nicht gerade kurz: Schuberts Fantasie für Violine und Klavier in C-Dur, sein letztes Werk dieses Genres. Bei der Uraufführung 1828 leerte sich der Saal. Denn zu ungewohnt war das Werk für damalige Ohren.
8. April 2017, 21:58
Interpretationen Capucon/Ducros - Kremer/Afanassiev
Am 20. Jänner 1828 wurde Schuberts Fantasie für Violine und Klavier, sein letztes Kammermusikwerk, uraufgeführt - zehn Monate vor Schuberts Tod. Und die Kritik und die Publikumsreaktionen waren eindeutig. Ein Chronist schreibt: "Es leerte sich an diesem 20. Januar 1828 der Konzertsaal allmählich, und der Autor dieser Zeilen muß gestehen, daß er selbst außerstande ist, etwas über das Ende des Stückes zu sagen."
Zugegeben: das Stück ist mit seinen knapp 30 Minuten als Kammermusikwerk für Violine und Klavier nicht gerade kurz. Aber es bietet eine solche Vielfalt an Ideen, an Ungewohntem, Originellen, dass die Reaktion aus heutiger Sicht verwundert. Diesmal steht Franz Schuberts Fantasie für Violine und Klavier in C-Dur D 934 (op posth. 159) im Zentrum des Interpretationsvergleichs.
Für damalige Zuhörer ungewohnt
Vielleicht lag die Langeweile mancher Hörer ja gerade an der ungewohnten Form, denn das hatte es in diesem Ausmaß noch kaum gegeben: eine Fantasie, eine gewissermaßen unverbindliche Aneinanderreihung von Themen, Melodien und Variationen. Also keine Sonate, kein Rondo, keine gewohnte Satzaufteilung in schnell-langsam-schnell. Für damalige Ohren ging hier alles drunter und drüber.
In die Mitte setzt Schubert die Melodie seines Liedes "Sei mir gegrüßt" und lässt es von Violine und Klavier mehrfach variieren. Davor gibt es als gewissermaßen ersten Satz nach einer langsamen, lang gedehnten Einleitung (die für sich schon ein Kosmos ist) ein Allegretto, dessen heiteres, rhythmisch bewegtes Thema seine Verwandtschaft zu einem ungarischen Tanz nicht leugnen kann.
Vergleich Capucon/Ducros - Kremer/Afanassiev
Tänzerisch, mit zartem, feinem Geigenklang klingt dieses Thema bei Renaud Capucon und Jérôme Ducros. Schubert versieht dieses Thema aber mit ganz bestimmten Akzenten, sowohl für die Violine als auch für das Klavier - und manchmal entstehen dadurch reizvolle rhythmische Verschiebungen zwischen den beiden Parts.
In der Aufnahme von Gidon Kremer und Valery Afanassiev - fast schon ein Klassiker der Schubert-Fantasie-Aufnahmen, 1990 entstanden - werden die von Schubert genau vorgeschriebenen Akzentuierungen sehr differenziert und deutlich ausführt. Das Thema erhält Ecken und Kanten, die bei Capucon wohlfeil abgerundet sind.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 31. Mai 2006, 10:05 Uhr
CD-Tipps
Franz Schubert, Fantasie C-Dur, D 934 (op. posth. 159), Renaud Capucon und Jérôme Ducros, Virgin Classics
Franz Schubert, Fantasie C-Dur, D 934 (op. posth. 159), Gidon Kremer und Valery Afanassiev, Deutsche Grammophon
Links
AEIOU - Franz Schubert
Deutsche Grammophon
Kremerata Baltica
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