Auf Stelzen und Kufen
Neubauten für die Antarktis
Mit einem Durchmesser von 5.000 Kilometern ist die Antarktis größer als Europa. Von dichter Besiedlung kann man trotzdem nicht sprechen. Knapp 85 Stationen verteilen sich über die riesige Fläche. Jetzt sind ein paar Neubauten fällig.
8. April 2017, 21:58
Mit einem Durchmesser von 5.000 Kilometern ist die Antarktis größer als Europa. Knapp 85 Stationen verteilen sich über die riesige Fläche. Jetzt sind ein paar Neubauten fällig.
Am Ekström-Schelfeis im nordöstlichen Weddell-Meer zeigt die Neumayer II-Station bereits deutliche Dellen. Das im Eis versunkene Röhrensystem wird von den Schneemassen zusammen gedrückt und kann nur mehr wenige Jahre bewohnt werden. Deshalb baut das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) eine neue Station: Neumayer III.
Das Besondere an der neuen Station: Sie wird auf Stelzen ruhen, damit der Wind die Schneemassen unter dem Bauch der Station durch bläst und keine Schneewächten bildet, die den Bau in wenigen Jahren wieder unter dem Eis begraben.
Ähnlichkeiten mit einer Liftkonstruktion
Entfernt ähnelt der Entwurf einer ausgedehnten alpinen Liftkonstruktion. Die 16 Beine sind vertikal beweglich. Das heißt, sie können den Bau hydraulisch in die Höhe stemmen und dann wieder fixieren. Damit kann die 68 Meter lange und 24 Meter breite Plattform den jährlichen Schneezuwachs - ca. ein Meter - ausgleichen und sich selber immer weiter hinauf hieven.
Einer der positivsten Nebeneffekte, dass Neumayer III nun über dem Eis gebaut wird: Die Wissenschafter wohnen bei Tageslicht. Selbst im Eis haben sich, so Saad El-Naggar, Leiter der Logistik beim Bau der Station, die Anforderungen an die Wohnqualität geändert.
Fertig entwickelt und getestet
Auch Energie ist in der Kälte ein großes Thema. Die wird von Dieselgeneratoren geliefert, die im Jahr etwa 300.000 Liter Treibstoff benötigen und zwischen 160 und 300 Kilowattstunden liefern sollen. Ein geringer Teil der Energie - 30 Kilowatt - kommt von Windgeneratoren, wobei El-Naggar davon träumt, sich in der Zukunft ganz autark mit Windkraft versorgen zu können. Eine biologische Kläranlage wird die menschlichen Abfälle wieder aufbereiten.
Die Pläne für Neumayer III liegen also fertig am Tisch, die Module wurden bereits probeweise zusammen gebaut und getestet, auch im Windkanal. Die Räume orientieren sich vielfach an der Größe von 20 Fuß-Containern - einfach, weil sie so im Standardmaß fertig verschifft werden können.
Kosten von 26 Millionen Euro
Mitte Dezember soll das Schiff "Naja Arctica" mit den ersten Komponenten am Ekström-Schelfeis anlegen und dann die Module auf der 18 Meter hohen Eiskante ablegen. Drei Monate lang wird es ein richtiges Baucamp in der Antarktis geben - ein Containerdorf wie bei einer Großbaustelle mitteleuropäischen Zuschnitts. 2009 dürfte die Station mit zwölf Kojen für Überwinterer und 36 Übernachtungsplätzen samt 210 Quadratmetern Laborfläche dann fertig sein. Kostenpunkt ohne Inneneinrichtung: 26 Millionen Euro.
Mindestens 25 Jahre lang, so hofft El Naggar, soll Neumayer III der Klimaforschung, der Wettermodellierung und der Beobachtung des Erdmagnetfeldes dienen. In diesem Vierteljahrhundert wird das Bauwerk mit dem Eis um rund vier Kilometer weiter Richtung Wasser wandern.
Forschungsstation auf Kufen
Drei Flugstunden mit einer Twin-Otter weiter südlich liegt das Brunt-Eisschelf und die englische Antarktis-Station Halley V. Sie wird in den nächsten zwei Jahren durch Halley VI ersetzt - Baubeginn November/ Dezember 2007. Halley V sieht zwar noch immer gut aus - es steht ähnlich wie die geplante neue Neumayer-Station auf Stelzen. Allerdings machen hier Probleme mit dem Untergrund einen Neubau notwendig, erzählt David Blake, Head of Technology & Engineering beim British Antarctic Survey. "Wir haben Angst, dass das Schelfeis, auf dem Halley VI gebaut wurde, abbricht. Unseren Berechnungen nach soll das 2010, 2011 passieren. Allen Modellen nach steht uns diese Ablösung der Eismassen vom Land bevor. Dadurch wird Halley V Teil eines Eisbergs. Wir mussten uns also sehr schnell nach einem Ersatz umsehen. So wurde das Konzept für Halley VI geboren."
Halley V besteht aus einer Serie von Modulen, die ebenso wie Neumayer II auf hydraulischen Stelzen stehen. Und: an diesen Stelzen sind Kufen angebracht. Deshalb wird man die neue Station des British Antarctic Survey über das Eis ziehen und verlegen können.
"Es sind insgesamt zehn Module, die aneinander gereiht werden, so wie die Waggons eines Zuges. Mit diesem flexiblen Design wollen wir unsere Station in die Zukunft führen - selbst dann, wenn das Eis brüchig werden sollte", erzählt David Blake. Kostenpunkt für den Bau von Halley VI: rund 500 Millionen Euro.