"Ja" oder "Nein" entscheiden über Zukunft
Vor dem Referendum in Montenegro
Am 21. Mai werden die Bewohner von Montenegro in einem Referendum über ihre Eigenständigkeit abstimmen. Sie müssen sich entweder für ein weiteres gemeinsames Leben mit Serbien oder für einen unabhängigen Staat Montenegro entscheiden.
8. April 2017, 21:58
Nach der letzten Volkszählung (2003) hat Montenegro 620.145 Einwohner. Davon sind 484.718 wahlberechtigt. Die Wahlzettel sind in rosa Farbe und die Entscheidung ist auf zwei Worte beschränkt: "DA" oder "NE", was "ja" oder "nein" für die Unabhängigkeit bedeutet.
Nach dem gültigen Wahlgesetz wird sich der jetzige Staatsbund - Serbien und Montenegro - bei mindestens 55 Prozent Ja-Stimmen auflösen. Montenegro könnte dann nach 88 Jahren wieder ein unabhängiger Staat sein.
Gemeinsam?
Nach dem Ersten Weltkrieg ist Montenegro - nach nur acht Jahre Monarchie unter Nikola I. - in das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das sich 1929 zum Königreich Jugoslawien unbenannte, eingetreten. Aus diesem "ersten" Jugoslawien ist nach dem Zweiten Weltkrieg die Föderative Sozialistische Volksrepublik Jugoslawien unter Marschall Tito entstanden.
Das Montenegrinische Referendum kann man als weitere Phase in einer ganzen Reihe von Geschehnissen des nicht gerade erfolgreichen Versuchs der südslawischen Völker sehen, einen gemeinsamen Staat zu schaffen. Dieser Versuch, der unter dem Namen Jugoslawien bekannt wurde, ist seit Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in mehreren blutigen Kriegen zerfallen.
Zum Föderativ
Schon vor ihrer Gründung war die zukünftige Staatsform heftig umgekämpft. Die südslawischen Völker, die sich aus den Resten des Osmanischen und des Habsburgischen Reichs in eine eigene Staatsform zusammensetzten, konnten zwischen einer föderativen und einer unitaristischen Variante ihres zukünftigen Bundes wählen. Damals hat sich die unitaristische Lösung unter der Herrschaft des serbischen Königshauses Karadjordjevic durchgesetzt.
Diese Variante lebte weiter, obwohl Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg offiziell als föderativ bezeichnet wurde. Es würde heute zu spekulativ wirken, wenn wir über die mögliche tatsächliche föderative Einordnung des Staates und ihrer möglichen Folgen irgendwelche Schlüsse ziehen.
Ausgang ungewiss
Ebenso wäre die Prophezeiung der Ergebnisse des jetzigen Referendums eine äußerlich "unseriöse" Angelegenheit. Selbst die in Mode gekommenen Meinungsumfragen ergeben so widersprüchliche Resultate, dass sie keine verlässliche Antwort auf den Urnenausgang geben können.
Selbstverständlich sehen sich im Vorfeld beide Seiten schon als Gewinner und versuchen, mit harten "schicksalhaften" Mahnungen die Gegner vor den Folgen ihrer "falschen" Entscheidung zu warnen.
Geteilte Meinungen
Die Medien aus Serbien vertraten unisono das Weiterleben im gemeinsamen Staat. Sie betonten, dass eine Trennung auch den Status Kosovos beeinflussen würde. Sie befürchteten, dass sich der Zerfall weiter auf den Kosovo verbreiten würde. In Zeitungen war auch die Meinung des Patriarchen der serbischen orthodoxen Kirche, Pavle, zu lesen. Der Patriarch hat angedeutet, dass "die Einheit und das Gemeingefühl eine Basis für jedes gesunde menschliche und soziale Leben ist." Er hat auch seinen Segen für die Zukunft seines gemeinsamen Volkes gegeben.
Die Medien von Montenegro selbst sind, wie auch das Volk, geteilter Meinung. Die Befürworter der Selbstständigkeit weisen auf die Vorteile hin, die mit der Unabhängigkeit entstehen würden. Sie sagen, dass Serbien das Ansehen von Montenegro im Westen mit seiner Einstellung gegenüber den Problemen der Region sehr beschädigt hat; ohne Serbien werde sich der Weg der montenegrinischen Integration in die Europäische Gemeinschaft öffnen.
Nichts außer Unabhängigkeit?
Die Anderen, die Unitaristen, stellen die Frage nach der Zukunft eines so kleinen Staates, der sich außer der Unabhängigkeit nichts leisten kann, und warnen die Bürger vor möglicher "Privatisierung" und "Kriminalisierung" ihres Landes im Falle, dass der Block um den jetzigen montenegrinischen Premier Milo Djukanovic zerfallen wird. Milo Djukanovic ist Vorsitzender der Demokratischen Partei der Sozialisten Montenegros und der Anführer der Bewegung für die montenegrinische Unabhängigkeit. Seine Feinde weisen auf Gerüchte über nicht klare Geschäften und Aktivitäten des Premiers hin.
Was in der ganzen Geschichte viel versprechend klingt, ist die Tatsache, dass bis jetzt keine Unruhen gemeldet wurden. Es bleibt zu hoffen, dass es unabhängig vom Ausgang des Referendums so bleiben wird - vom ursprünglichen Jugoslawien ist sowieso nichts geblieben.