Rubinstein-Serkin im Interpretationsvergleich

Beethovens Klavierkonzert Nr. 3

Unter Beethovens fünf Klavierkonzerten hat das dritte einen besonderen Platz: es ist das einzige in Moll und zeigt große stilistische Geschlossenheit. Für das Werk nutzte er seinen Pariser Erard-Flügel, der Virtuosität ohne Transparenz-Verlust ermöglichte.

Artur Rubinstein (Toscanini), Rudolf Serkin (Ozawa)

Heller Klang der mit Leder bezogenen Hämmerchen, schnelles Verklingen und rasches Abdämpfen des Tons: das waren u. a. die Tugenden der neuen Klaviere ganz am Beginn des 19. Jahrhunderts. Und diese Eigenschaften nutzte Ludwig van Beethoven u. a. in seinem 3. Klavierkonzert c-Moll durch rhythmisch markante und prägnante Themen auch in der Bass- oder Sopranlage. Ermöglicht wurde also eine große Virtuosität, die nicht auf Kosten der Transparenz ging.

Im Mittelpunkt des Interpretationsvergleichs steht diesmal der erste Satz aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll.

Erard-Flügel aus Paris

Beethoven hatte gerade einen neuen Flügel der Firma Erard aus Paris bekommen und ihn in seinem dritten Klavierkonzert genutzt. Die Komposition war zwar bereits ab 1800 konzipiert - aber erst 1803 wurde das Konzert von Beethoven vollendet und auch uraufgeführt. Und zwar in einem der Akademie-Konzerte in Wien, gemeinsam mit seinen beiden ersten beiden Symphonien und dem Oratorium "Christus am Ölberg".

Kräftigerer Klang, hohes Register

Der Erard-Flügel befindet sich übrigens heute im OÖ. Landesmuseum in Linz. "Mein Erard Flügel ist ziemlich nutzlos ... ", schrieb Beethoven 1813. Zehn Jahre davor aber nutzte ihn Beethoven:

Nicht nur wegen des kräftigeren Klangs, sondern auch wegen der Töne im hohen Register, die er so mit den Wiener Klavieren nicht verwenden konnte.

Immerseel auf historischem Flügel

Sehr gut hörbar sind diese Qualitäten beim ersten Einstieg des Pianisten im ersten Satz dieses Beethoven-Klavierkonzerts in der Aufnahme mit Jos van Immerseel auf einem historischen Flügel. Hier klingen die Höhen Glocken- und Flötenähnlich.

Rubinstein raketenhaft, Serkin sehr deutlich

Wie eine Rakete beginnt diesen Einstieg Artur Rubinstein. Manche Pianisten lassen den Rhythmus dieses Laufs erkennbar, manche spielen ihn wie einen rasanten, raketenhaften Aufstieg. Rubinstein passte sich hier Toscaninis Härte an. Er spielt das Thema zweigeteilt: den ersten Teil fulminant majestätisch, den zweiten lyrischer, wie eine Antwort auf den ersten. Und er nimmt hier den Höhepunkt dynamisch zurück.

Bei Rudolf Serkin ist dieser Anfangslauf langsamer, bemerkenswert deutlich und mit kurzer Schlussnote. Und in dieser Interpretation hört man plötzlich, dass der lyrische zweite Teil des Themas auf seinem Höhepunkt eine recht scharfe Dissonanz hat - was bisher kaum hörbar war, aber von Serkin besonders herausgestrichen wird.

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 17. Mai 2006, 10:05 Uhr

CD-Tipps
Artur Rubinstein Arturo Toscanini, NBC Symphony Orchestra, RCA, Toscanini Collection Vol. 41

Beethoven, Piano Concertos No. 1 and No. 3, Seiji Ozawa, Boston Symphony, Rudolf Serkin, Telarc, 80663

Links
AEIOU - Ludwig van Beethoven
Pianos Erard

Übersicht

  • Interpretationen