Große Defensivqualitäten und hohe Torgefährlichkeit

Costa Rica

Am 9. Juni beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Einen Monat lang wird "König Fußball" das dominierende Thema in den Medien und der Gesellschaft sein. Bis dahin stellt Ihnen oe1.ORF.at die 32 teilnehmenden Nationen vor.

Costa Rica, vier Millionen Einwohner, ist ein fruchtbares, hügeliges Land im zentralamerikanischen Isthmus, eingeklemmt von zwei Weltmeeren, der Gürtel Amerikas, Exporteur von Bananen, Kaffee und Mikrochips, bekannt als älteste Demokratie der Region, berühmt für seine Natur.

Am 25. Mai 2004 jedoch erschütterte Unerhörtes den Stolz der Einheimischen: die Fußballnationalmannschaft spielte unentschieden gegen Kuba. Zuhause. Nur unentschieden! Das reichte zwar, um weiterhin im Rennen um die WM-Qualifikation zu bleiben. Trotzdem wurde der Trainer Steve Sampson entlassen.

Bald stellte sich heraus, dass das magere Ergebnis gegen Kuba nur eine kleine Ankündigung gewesen war für weitere Erschütterungen des nationalen Selbstverständnisses. Eine Reihe von Streiks und Demonstrationen legte das Land lahm, das im Jahr 1948 seine Armee abgeschafft hatte und sich auf das friedliche Zusammenleben seiner Menschen ebenso viel einbildete wie auf die demokratische und wirtschaftliche Stabilität.

Ende 2004 wurden gleich drei Ex-Präsidenten der Korruption angeklagt, einer musste deswegen, nur siebzehn Tage nach seiner Wahl, als Vorsitzender der Organisation amerikanischer Staaten zurücktreten. Und jetzt lag die Befürchtung, die nach dem fußballerischen Unentschieden allenfalls noch in den unerforschten Tiefen des kollektiven Unterbewusstseins geschlummert hatte, offen zutage: Die "Schweiz Zentralamerikas" war auf dem Weg, eine gewöhnliche Bananenrepublik zu werden.

Die Streiks und Proteste standen im Zusammenhang mit dem Beitritt Costa Ricas zur mittelamerikanischen Freihandelszone Cafta, in der die Vereinigten Staaten und Mexiko den Ton angeben. Kritiker befürchten bis heute, dass Steuerbefreiungen und Privatisierungen nur den mächtigen ausländischen Firmen nützen und die lokalen Betriebe benachteiligen.

Sie verweisen zudem darauf, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre wenig zu einer gerechteren Einkommensverteilung innerhalb des Landes beigetragen hat. Im Gegenteil, die Schere zwischen reich und arm ist größer geworden. Und das trotz der engen wirtschaftlichen wie politischen Anlehnung an die Vereinigten Statten, die andererseits viel dazu beigetragen hat, dass Costa Rica seit Jahrzehnten ein Ruhepol in einer aufgewühlten Region ist.

Weit über ein halbe Million Amerikaner machen alljährlich Ferien an den paradiesischen Stränden Costa Ricas. Die Regierung unterstützte den Irakkrieg von Präsident Bush, obwohl die Verfassung Neutralität geboten hätte. Auch dagegen wurde protestiert und demonstriert. Am 8. Oktober 2005 fand dann das entscheidende WM-Qualifikationsspiel gegen die Vereinigten Staaten statt. Costa Rica gewann mit 3:0, die Volksseele war besänftigt, Regierung und Opposition feierten gemeinsam - und für eine gute Zeit lang war die Welt wieder in Ordnung.

Dieser Text entstammt einer Kooperation mit "Anstoss", der Zeitschrift des Kunst- und Kulturprogramms zur FIFA WM 2006; ein Projekt von André Heller.

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Anmerkungen
CONCACAF
Der CONCACAF Gold Cup ist das vom nord- und mittelamerikanischen und karibischen Fußballverband, kurz CONCACAF (Confederation of North and Central American and Caribbean Association Football) ausgerichtete Turnier zur Ermittlung des kontinentalen Meisters. Auf Einladung spielen seit einigen Jahren auch südamerikanische Teams mit. Zwischen 1963 und 1989 hieß das Turnier CONCACAF-Meisterschaft. Es wurde erstmalig 1963 veranstaltet und ersetzte die CCCF-Meisterschaft (1941-61), an der nur die mittelamerikanischen und karibischen Verbände teilnehmen konnten. In den letzten Jahren diente der Gold Cup auch als Qualifikationsturnier für die Copa América.

CCCF
Der CCCF (Confederación Centroamericana y del Caribe de Fútbol) wurde 1938 gegründet und war der Fußballverband von Mittelamerika und der Karibik. Er schloss sich 1961 mit dem nordamerikanischen Verband NAFC (North American Football Confederation) zur CONCACAF zusammen. Das letzte Turnier fand 1961 statt, die Organisation der Wettbewerbe für Nationalmannschaften wurde danach von der CONCACAF übernommen. Die CCCF-Meisterschaft war der Vorgänger des CONCACAF Gold Cups, bei dem der CONCACAF-Kontinentalmeister ermittelt wird.