Seren, Schmerzmittel und Krebsmedikamente
Brasiliens Schlangengifte
In Brasilien ist das Schlangeninstitut Butantan für seine Seren gegen Schlangenbisse bekannt. Die aktuelle Forschung des Institutes betrifft jedoch kein Serum, sondern die Entwicklung eines Schmerzmittels aus dem Schlangengift der brasilianischen Klapperschlange.
8. April 2017, 21:58
Wenn eine kleine Forschungseinrichtung aus einem so genannten "Entwicklungsland" ein bedeutsames Mittel entwickelt, muss es vorsichtig sein, welche Informationen es über seinen Forschungsstand preisgibt. Und daher ist Antônio Carlos Martíns de Camargo sehr vorsichtig. Der Arzt und Forscher am Instituto Butantán, dem Schlangeninstitut in São Paulo, hat Angst vor der Macht der großen Pharmakonzerne.
Heilende Stoffe aus Schlangengiften
Er und seine Mitarbeiter versuchen Medikamente aus den Bestandteilen von Schlangengiften zu entwickeln. Um seine Ergebnisse zu schützen, beantragte sein Forschungsteam in den letzten Jahren sechs Patente. Eines davon liegt ihm besonders am Herzen:
"Das interessanteste ist das Patent für ein hochwirksames Schmerzmittel. Wir extrahierten es aus dem Gift einer brasilianischen Klapperschlange. Crotalus heißt diese brasilianische Art und sie ist sehr gefährlich. Das Gift wirkt im zentralen Nervensystem. Wir forschen an einer bestimmten Komponente des Giftes und untersuchen seine Wirksamkeit für die Medizin."
Sechzig Mal stärker als Morphium
Die Geschichte des Forschungsinstitut Butantán reicht über 100 Jahre zurück. Von Beginn an wurden Gifttiere untersucht und gezüchtet. Daher beruhen viele der heutigen Arbeiten auf damaligen Ergebnissen. Auch das, jetzt im Mittelpunkt des Interesses, stehende Schmerzmittel wurde eigentlich schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts entdeckt, allerdings nicht in seiner puren Form. Erst mit den heutigen modernen Mittel der Technik ist es möglich einzelne Moleküle des Schlangengiftes zu isolieren, zu synthetisieren und auf ihre spezifische Wirkung zu testen.
"Es ist ein sehr kleines Molekül, ein Naturstoff, der sechzig Male stärker wirkt als Morphium", sagt Antônio Camargo, "der Stoff hat noch andere Vorteile. Er macht nicht abhängig. Ein Problem von Morphium ist ja, dass es abhängig macht. Diese Mittel kann außerdem oral verabreicht werden. Es muss nicht gespritzt werden. Daher ist diese Substanz so interessant. Aber es wird noch Jahre dauern, bis wir sagen können, ob das Mittel in der Humanmedizin zugelassen wird."
Herzkreislaufmittel und Krebsmittel
Die Forschung an Medikamenten aus Naturstoffen hat Zukunft, ist Antonio Camargo überzeugt. Deshalb ist das Schmerzmittel aus der brasilianischen Klapperschlange nicht das einzige Forschungsthema. Camargos Abteilung im Schlangeninstitut untersucht noch zwei andere Substanzen.
Eine kommt vom Gift der Bothrops jararaca, einer anderen giftigen Schlange Brasiliens, die zur Familie der Vipern gehört. Siebzig Bothrops Arten, sie werden "Jararaca" genannt, leben in Brasilien. Sie verursachen 90 Prozent der Schlangenunfälle. Die Gifte der "Jararacas" sind hämolytische Gifte, das heißt, sie agieren im Blutsystem.
Das Bothrops-Gift, das Camargos Arbeitsgruppe erforscht, soll in Zukunft als Herzkreislaufmittel wirken, das den Blutdruck senkt. Auch dieses Mittel hat keine Nebenwirkungen. Der dritte Stoff, mit dem sich Camargos Arbeitsgruppe beschäftigt, wird aus dem Speichel einer brasilianischen Zeckenart extrahiert und wirkt gegen Krebstumore.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 11. Mai 2006, 19:05 Uhr
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