Perus Bergbau und seine Folgen

Die Bleikinder von La Oroya

Hoch in den peruanischen Anden wird Erz gewonnen und verarbeitet: Blei, Zink, Kupfer. Die Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen sind katastrophal. Doch auf Forderungen nach besserem Umweltschutz droht die Firma mit dem Zusperren.

Meinungen der lokalen Bevölkerung

Seit Anfang der 1990er Jahre wurde in Peru der Abbau metallischer Rohstoffe enorm ausgebaut. Die Erlöse kommen vor allem der einheimischen Elite und internationalen Konzernen zugute. Der für Hungerlöhne arbeitenden lokalen Bevölkerung dagegen wird Umwelt und Gesundheit zerstört - so etwa durch die vom US-Konzern "Doe Run" betriebene Erzverarbeitungsanlage in La Oroya. Aber nicht genug damit, neben der Ausbeutung von Umwelt und Menschen droht man auch mit dem Verlust an Arbeitsplätzen ...

Eine Stadt wird vergiftet

Öde Häuschen an kahlen Hängen, umgeben von schwarzen Schlackehalden, von grauen Bergen mit gelblich-weißem Belag, auf denen kein Grashalm wächst: Das ist die 35.000 Einwohner zählende Stadt La Oroya in den Zentralanden Perus, 3.800 Meter über dem Meer.

Die hier lebenden, verängstigt wirkenden Menschen werden von einem Gift spuckendem Monster beherrscht: Schlote, wohin man schaut, halb verfallene Gebäude, meterdicke Rohre, die gelbe Brühe in den Rio Mantaro speien; überall Qualm. So präsentiert sich die Metallhütte der Stadt, die aus Erzkonzentraten insgesamt 120.000 Tonnen Blei, 75.000 Tonnen Zink und 65.000 Tonnen Kupfer pro Jahr produziert. Überflüssige giftige Schwermetalle wie Schwefeldioxid, Arsen, Cadmium oder Uran landen im Fluss oder verpesten die Luft. Die Folgen sind katastrophal: Praktisch alle Kinder in dieser Region haben Blutbleiwerte weit über den Grenzwerten der WHO - mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen.

Enorm hohe Bleibelastung

Nach eigenen Angaben bläst die Hütte täglich 580 Tonnen Schwefeldioxidqualm in die Luft - gesättigt mit Bleistaub. Vor allem die Kinder seien davon schwer beeinträchtigt, erklärt der Neurologe Hugo Villa vom örtlichen Krankenhaus: "Zehn Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut sind aus Sicht der WHO gerade noch akzeptabel. Schon fünf Mikrogramm allerdings führen zu Veränderungen im Nervensystem; zu Hyperaktivität, Wachstumsstörungen und verminderter Intelligenz. In La Oroya haben fast alle Kinder den acht- bis 16-fachen Wert. In meine Ordination kommen zahlreiche Kinder und Erwachsene mit Kopfschmerzen, tauben Gliedmaßen und Muskelschwäche. Arbeiter der Anlage klagen häufig auch über Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen, den Folgen der enorm hohen Bleibelastung".

Die Schwermetallbelastung in Knochen und Organen der Kinder von La Oroya; ihre schulischen Leistungen; das Vorkommen von Nieren-, Magen- und Lungenkrebs; die Lebenserwartung der Menschen hier - all das hat niemand bislang wissenschaftlich untersucht. "Wen interessiert es?“ fragt Hugo Villa - empört darüber, dass Kinder im Schatten der Hütte schon chancenlos zur Welt kommen.

Quadratkilometer große Giftküchen

Parallel zu den unzähligen Schürfern und Goldwäschern boomt der Abbau von Industriemetallen nun schon seit Anfang der 1990er Jahre. Bis zur Jahrtausendwende hat sich die für den Bergbau freigegebene Fläche vervierfacht. Gut ein Drittel der Landesfläche ist heute konzessioniert. Kein Wunder! Der Bergbau erwirtschaftet die Hälfte der Exporterlöse des Landes.

Einen erheblichen Beitrag dazu leistet die Verhüttungsanlage von La Oroya. Bis 1997 noch verstaatlicht; verkaufte sie Diktator Alberto Fujimori der US-Firma "Doe Run“ - zu einem äußerst günstigen Preis, an den allerdings eine Auflage gekoppelt war ...

Der strittige Umweltanpassungsplan

Dieser verpflichtet den Eigentümer, bis Ende 2006 170 Millionen Dollar zu investieren, um den Schadstoffausstoß der Hütte zu reduzieren. Nach neun von zehn Anpassungsjahren wurden die vorgesehenen Umweltinvestitionen aber gerade erst zu einem Drittel verwirklicht. Vor allem der Bau einer gesetzlich vorgeschriebenen Entschwefelungs- beziehungsweise Schwefelsäureanlage lässt auf sich warten.

Angesprochen auf diese Anlage betont Carlos Hoyos, Pressemann der Firma "Doe Run“, man habe neben Aufforstungsprogrammen und eingeführten Gesundheitsdiensten u. a. auch eine Arsendeponie gebaut, die Filter der Schornsteine modernisiert. Auch die Abwässer reinige man jetzt besser als früher. Zum Bau der Schwefelsäureanlage meinte Hoyos, er wäre zu teuer und auch unrentabel für die Firma, weil der Weltmarkt für Schwefelsäure übersättigt und der Transport der Säure zu aufwändig sei. Außerdem müsse man die alte Hütte mit hunderten Millionen Dollar modernisieren. Wenn man nun vom Gesetz her den Bau fordere, gäbe es für die Firma keinen anderen Ausweg, als die komplette Anlage stillzulegen.

Angst um Arbeitsplätze

Diese Drohung schürte die Angst in der Bevölkerung, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Neben den handzahmen Gewerkschaften forderten die meisten Bewohner daher die Bewilligung der von "Doe Run" eingebrachten Fristverlängerung für den Bau und brandmarkten die aufgebrachten Umweltschützer als Arbeitsplatzvernichter. Mit durchschlagendem Erfolg ...

Ein Gesetzesdekret speziell für "Doe Run" eröffnet nun der Firma die Möglichkeit, für Umweltinvestitionen einen weiteren Aufschub von vier Jahren zu beantragen. Eine Regelung, gegen die Umweltschützer in La Oroya Sturm laufen. Cesar Rodriguez, Generaldirektor für Umweltschutz im Bergbauministerium beschwichtigt aber und behauptet, das Dekret werde nie angewendet. "Einen weiteren Aufschub können wir nicht mehr hinnehmen. Natürlich verstehen wir auch die Sorge der Bevölkerung, dass "Doe Run" den Betrieb schließen könnte; es hängen ja 30.000 Menschen direkt oder indirekt dort von den Arbeitsplätzen ab. Wir können jedoch nicht hinnehmen, dass ein privater Investor den gesetzlichen Rahmen dafür nach Belieben gestaltet".

"Doe Run" setzt auf Zeit

Dies ist die Meinung von Michael Pollmann, dem Umweltberater des Deutschen Entwicklungsdienstes. Die Firma sitze am längeren Hebel. Mit minimalem Aufwand ziehe "Doe Run" maximalen Gewinn aus der Hütte und werde diese genau dann verkaufen oder schließen, wenn Großinvestitionen unausweichlich werden.

Das soziale Engagement der Firma einschließlich so genannter Gesundheitsprogramme halten auch viele andere Kritiker für nichts als Augenauswischerei. Die Umweltschützerin Yolanda Zurita Trujillo dazu: "Gesundheitsposten und Medikamente lösen nicht das Problem. Sie kurieren lediglich Symptome und schaffen Abhängigkeiten. Wir fordern daher, dass für unsere Region der medizinische Notstand ausgerufen wird. Die Verschmutzung von Luft und Wasser ist sofort drastisch zu senken. Wir wollen saubere Böden, saubere Häuser, einen sauberen Fluss. Wir verlangen auch ein umfassendes Gesundheitsprogramm: Giftopfer müssen behandelt und rehabilitiert, künftiger Vergiftung muss wirksam vorgebeugt werden", fordert sie.

Die Kampagnen der Umweltschützer

Ermutigt wird die Umweltschützerin von Pedro Barreto, dem für La Oroya zuständigen Erzbischof von Huancayo. Mit anderen Umweltschützern aus ganz Peru organisiert er Aufklärungskampagnen und Studien, Informationsveranstaltungen und Demonstrationen, die großen Zulauf außerhalb von La Oroya haben. Finanziert wird die Aufklärungsarbeit vom deutschen Hilfswerk "Misereor", wo die Verantwortlichen den Kampf des Erzbischofs für die Bleiopfer von La Oroya ausdrücklich begrüßen.

Der Großteil der hiesigen Stadtbevölkerung ist allerdings verzweifelt ob der momentanen Situation: "Wo soll ich denn hingehen? Ich bin doch hier geboren, wir haben unser Häuschen hier, unser ganzes Leben", sagt ein 30-jähriger Lastwagenfahrer stellvertretend für die meisten: "Wenn die Luft doch nur ein bisschen sauberer wäre! Seit sechs, sieben Jahren bläst die Hütte so viel Qualm in die Luft, dass ich oft sogar mit meinem Lastwagen anhalten muss, weil mir fürchterlich die Augen brennen".

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Mittwoch, 10. Mai 2006, 18:25 Uhr

Download-Tipp
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Links
Caritas international - Presseinfo
FIAN Deutschland - Kampagne
Wikipedia - La Oroya
alternativas.at
Enlazando Alternativas