Meinungen zur Antrittsenzyklika von Benedikt XVI.

Deus caritas est

Am 25. Jänner 2006 wurde die erste Enzyklika Papst Benedikts XVI. veröffentlicht: "Deus caritas est" - "Gott ist die Liebe". So der Titel - für viele ein viel versprechender Wegweiser seines künftigen Pontifikats, trifft er doch den Wesenskern des Christentums.

Kurienkardinal Walter Kaspar zur Enzyklika

"Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm’’ (1 Joh 4, 16). In diesen Worten aus dem Ersten Johannesbrief ist die Mitte des christlichen Glaubens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges in einzigartiger Klarheit ausgesprochen. Außerdem gibt uns Johannes in demselben Vers auch sozusagen eine Formel der christlichen Existenz: "Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt" (vgl. 4, 16).

Mit diesen Worten beginnt die mit Spannung erwartete erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. - für viele ein viel versprechender Wegweiser seines künftigen Pontifikats, trifft sie doch den Wesenskern des Christentums.

Kritiker überrascht

Als jenes erste Lehrdokument von Papst Benedikt XVI. am 25. Jänner 2006 veröffentlicht wurde, war die Überraschung perfekt, denn niemand hatte erwartet, dass sich der ehemalige langjährige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, den Kritiker vielfach als "Hardliner" bezeichneten, bei seiner Antritts-Enzyklika dem Thema "Caritas" widmen wird.

Ungewöhnlich für ein päpstliches Lehrschreiben ist auch die Tatsache, dass sich das knapp 70 Seiten starke Dokument bislang weltweit millionenfach verkaufte und die Nachfrage in vielen Übersetzungen Monate nach seinem Erscheinen weiter anhält. Inzwischen ist das Dokument auch in Supermärkten und Autobahn-Raststätten erhältlich. An einer Übersetzung ins Arabische wird gearbeitet.

Lob von allen Seiten

Auffällig an den zahlreichen Reaktionen über die Enzyklika ist, dass auch Theologen, die nicht der römisch-katholischen Kirche angehören, das Lehrschreiben ebenso würdigen wie kritische Katholiken. Das Werk, das in klarem, direktem, keineswegs weitschweifigem Sprachstil glänzt, gliedert sich in zwei Teile: Während sich der erste Abschnitt schwerpunktmäßig der erotischen Liebe widmet, behandelt der zweite die gelebte Nächstenliebe - vom humanitären Engagement für Notleidende bis hin zur politischen Arbeit für eine gerechtere Gesellschaft.

Auch der Wiener Moraltheologe Gunther Prüller-Jagenteufel bewertet die Sichtweise des Eros in der Enzyklika positiv: "Ich halte es für bemerkenswert, dass hier über den Eros in positiven Worten gesprochen wird, und nicht zunächst schon einmal warnend und die Gefahren hervorhebend. Ich halte es auch für bemerkenswert, dass deutlich einbekannt wird, dass es in der Kirche leibfeindliche Tendenzen gegeben hat und gibt - dass das nicht beschönigt wird".

Unbegrenzte Liebe möglich?

Einmal mehr hebt die Enzyklika hervor, dass der Ort für die gelebte erotische Liebe die Ehe sei - die unauflösliche Ehe. Für Gunther Prüller-Jagenteufel bedeutet diese Betonung "dass mit Liebe Verantwortung verbunden ist, dass man nicht auf Probe und nicht auf Zeit lieben kann, sondern dass Liebe auf Dauer hin ausgerichtet ist".

Seine Ehefrau, die Pastoraltheologin Veronika Prüller-Jagenteufel ergänzt jedoch: "Ich glaube, es gibt tatsächlich Gründe, die es mehr als berechtigt machen, aus einer Beziehung auch wieder zu gehen. Ich würde keine Ideologie aufstellen, die Menschen zwingen würde, z. B. in Gewaltbeziehungen zu bleiben. Da ist dann der Ofen aus".

Kein Türhüter und Moralprediger

Zum Abschnitt über die gelebte Nächstenliebe nimmt der Wiener Caritasdirektor und Priester Michael Landau Stellung. Er meint, die Enzyklika sei ein Aufruf an alle Christinnen und Christen, die Ärmel aufzukrempeln und sich zu engagieren. Auf die Frage, ob denn eine Enzyklika über die Liebe zu dem als strengen Glaubenshüter bekannten Theologen Ratzinger passe, antwortet Landau mit einem Vergleich:

"Die Aufgabe, die er zuvor als Präfekt der Glaubenskongregation gehabt hat, ist eine Art Türhüterfunktion. Die Aufgabe des Türstehers ist nicht immer nur sympathisch oder angenehm. Ich glaube, dass heute etwas von der theologischen Weite und auch etwas von der menschlichen Weite des Papstes spürbar ist - dass er an diese frohen und positiven und weiten Kerne des Glaubens erinnert".

Hör-Tipp
Logos, Samstag, 6. Mai 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Benedikt XVI., "Deus caritas est. Gott ist die Liebe", Christiana-Verlag, Februar 2006, ISBN 3717111353

Links
Deus caritas est - Enzyklika von Papst Benedikt XVI.
Benedikt XVI.