Großer Einfluss auf Künstler

Freud und die Kunst

Sigmund Freud beschäftigte sich zeit seines Lebens intensiv mit Kunst - wie viele seiner Schriften beweisen. Er beeinflusste aber auch intensiv die Kunst: Ohne Freud hätte es z. B. keinen Surrealismus gegeben. Auch das Kino profitiert von ihm.

Inge Scholz-Strasser zum Einfluss Freuds auf die Kunst.

Ja! Sigmund Freud hat nach seinen lebenslangen Anfeindungen, Kämpfen und Abspaltungen seiner psychoanalytischen Schule gesiegt, wie er es 1938 in London sagte. Was seine Wirkung auf Kunst und Kultur betrifft, hat er zumindest Recht. Die Kunst und Kulturwissenschaft hat Freud schon lange als einen ihrer wegweisenden Vorväter anerkannt. Schriften wie "Das Unbehagen in der Kultur" oder die "Traumdeutung" sind in vielen Aufsätzen und Doktorarbeiten über Künstler nur allzu oft zu finden.

Beschäftigung mit allen Kunstsparten

Freuds Beschäftigung mit der griechischen Tragödie hat nicht nur dem "Ödipuskomplex" seinen Namen gegeben, sie durchzieht sein gesamtes Werk. Schriften wie "Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci" oder seine Beschäftigung mit dem Moses des Michelangelo sind Richtung weisend.

Aber Freud hat zeit seines Lebens auch selbst mit bekannten Künstlern wie Thomas Mann oder Arthur Schnitzler korrespondiert, der für ihn ein Bruder im Geiste was. Manche Künstler legten sich bei ihm auf die Couch, anderen half Freud in Gesprächen, wie der Musiker Milan Turkovic ausführt:

"Gustav Mahler war in so erzweifelten Situationen während seines Lebens - diese verzweifelten Situationen drücken sich ja auch letzten Endes in seiner Musik immer wieder aus -, dass er ein Treffen mit Sigmund Freud in Holland vereinbart und dort mit ihm einen ganzen Tag verbracht hat. In der Folge kann man in Gustav Mahlers Biografie feststellen, dass diese Gespräche mit Sigmund Freud auf Mahlers Leben einen großen Einfluss hatten und ihm vielleicht sogar in gewisser Weise beim Weiterleben geholfen haben."

Wirkung auf Kunst

Dass Freuds Nachfahren wie Lucian Freud oder Esther Freud in England auch den Weg der Malerei oder der Schriftstellerei beschritten haben, ist wohl auch kein Zufall. Freuds Interesse für Kunst und fremde Kulturen war umfassend, man denke nur an seine Sammlung von Idolen aus alten Zeiten, seine schmutzigen Götter, wie er sie nannte.

Wichtiger aber noch als seine Person ist die Wirkung seiner Menschensicht und der Prinzipien der psychoanalytischen Methode auf die Kunst im Allgemeinen. Das beginnt bei den Hofmannsthal/Strauß-Opern wie "Elektra" und reicht bis zum Surrealismus in der Kunstgeschichte. Bilder von Magritte oder Max Ernst sind da ebenso zu nennen wie die so genannte ecriture automatique, also das Aufschreiben von freien Assoziationen oder Träumen, die man von der Zensur des Über-Ich zu befreien versucht. Das Es, das Unbewusste ins Bild zu rücken, das versuchten in der Kunst aber auch Strömungen wie das amerikanische Action Painting oder der Wiener Aktionismus schon in den 1950er Jahren.

Ohne Psychoanalyse keine Kunst

Auch die Konzeptkunst, eine bis heute aktuelle Strömung in der bildenden Kunst, wäre ohne Freud und die Psychoanalyse nicht denkbar. So hat das Sigmund Freud Museum in Wien eine kleine Kunstsammlung aufgebaut, die derzeit im New Yorker Kulturforum zu sehen ist, weil man in Wien Platz brauchte für die Schau "Die Couch. Vom Denken im Liegen".

Inge Scholz-Strasser, die Leiterin des Freud Museums, ist überzeugt, dass Freud die künstlerische Entwicklung des 20. Jahrhunderts nicht nur beeinflusst hat. "Ich würde fast meinen, viele Richtungen der Kunst kommen an Psychoanalyse nicht vorbei", meint sie.

Einfluss auf Theater und Kino

Sigmund Freud hat natürlich nicht nur die bildende Kunst beeinflusst, sondern auch die darstellenden Kunst. Damit sind nicht nur biografische Stücke gemeint wie "Berggasse 19" oder "Der Fall Dora" von Helene Cixous oder das Freud-Stück von Eric Emanuel Schmidt. Nein, die psychoanalytische Ausdeutung von Opern und Theaterstücken ist heute auf unseren Bühnen gang und gäbe.

Ganz zu schweigen vom Film, der ja gleichsam mit der Psychoanalyse gewachsen ist und dessen Dynamik, dessen Schnitttechnik, dessen Überschreitung von Zeit- und Raumgrenzen sich in den Techniken der Psychoanalyse gewissermaßen gleichsam spiegelt. Die Retrospektive des Österreichischen Filmarchivs "Psyche im Kino" in Wien hat einen guten Überblick über Freuds Wirkung auf den Film gebracht. Die reicht von Hitchcock bis zu Woody Allen und von Louis Bunuel bis David Lynch.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Mehr als ein Entdecker

Freuds Präsenz in der Kunst und im intellektuellen Diskurs ist heute größer denn je. Seine Schriften sind dabei ebenso wichtig wie seine Entdeckung, dass das Ich nicht Herr im eigenen Haus ist. Seine Ausstrahlung auf Denker wie Lacan oder Derrida kommt durch diese vielleicht modischeren Autoren auch wieder in der Kunsttheorie zurück.

Sigmund Freud war und ist also weit mehr als der Entdecker des Unbewussten, der Gründervater der Psychoanalyse und der Entdecker einer neuen Methode der Behandlung von Neurosen. Er ist auch so etwas wie eine Schlüsselgestalt der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

Veranstaltungs-Tipp
"Die Couch. Vom Denken im Liegen", 5. Mai bis 5. November 2006, Sigmund Freud Museum,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (20%).

Mehr dazu in science.ORF.at

Links
Sigmund Freud Museum
Freud Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung