Karl Korinek, Präsident des Verfassungsgerichtshofs

Re-Regulierung

"Eine ordentliche Verfassungsgerichtsbarkeit, die ihre Aufgabe erfüllt und die die Leute akzeptieren, ist letztlich auch ein Element der Kultur in einer Gesellschaft", meint Karl Korinek, Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes.

Karl Korinek im Gespräch mit Michael Kerbler

Michael Kerbler: Wie ist das Wertefundament von Karl Korinek? Was sind denn die Eckpunkte, die Sie - als praktizierender Katholik - für ganz wesentlich halten?
Karl Korinek: Für mich sind im staatlichen Leben ganz wesentlich Werte der Freiheit, aber auch zu sehen, dass die Freiheit des einen dort Grenzen haben muss, wo sie die Freiheit des anderen berührt. Für mich ist die Solidarität - ich bin in diesem Sinn ein Christlichsozialer - ganz ein wichtiger Wert. Soziale Marktwirtschaft, nicht nur Marktwirtschaft. Mit solchen Begriffen wie christlichsozial, soziale Marktwirtschaft und Freiheitsrechte glaub ich, lässt sich dieses Wertfundament beschreiben.


Was sagt denn dann der Wertkonservative im guten Wortsinn, nämlich was das Bewahren angeht, wenn konservative Politik Konsum und Gewinn als erstrebenswert erachtet? Dass man etwa das Rundfunkwesen liberalisiert und dann die kulturelle Verflachung beklagt, deren Ursache die Liberalisierung ist? Oder dass man Mobilität und Flexibilität von den Arbeitnehmern erwartet und sich dann über die hohen Scheidungszahlen wundert? Wie reagiert der wertkonservative Korinek darauf?
Ich glaube, dass manches von dem, was Sie jetzt als Beispiel gesagt haben in Wahrheit nicht wertkonservative, sondern wirtschaftsliberale Politik ist. Ich glaube, dass man sehen muss, dass etwa Begriffe wie Liberalisierung - nehmen wir das Beispiel des Rundfunkwesens, aber auch etwa Postliberalisierung, der Energiebereich - nur funktioniert, wenn man die Gemeinwohlauflagen, die bisher der Staat durch das Monopol bewirkt hat, formuliert und allen überbindet.

Eine stärkere Überlassung auf dem Markt erfordert notwendigerweise eine Re-Regulierung. Es erfordert Regeln, die dann die Marktteilnehmer auf gleiche Bedingungen festlegt und auch die Gemeinwohlauflagen ordentlich konkretisieren. Ich muss eine Kontrolle von privaten Postanbietern haben, die halbwegs der Kontrolle entspricht, die die Post als Monopolunternehmen gehabt hat. Die Post hat viel zu viel Verantwortung für das gesellschaftliche Leben, als dass es ein völlig freier Markt sein kann.

Und wenn Sie jetzt fragen, was denkt sich der politische, der wertkonservativ-politisch denkende Staatsbürger, dann sag ich: Man müsste sich stärker überlegen, dass wir die Auflagen zur Erfüllung des Gemeinwohls in liberaler gewordenen Märkten entsprechend formulieren und durchsetzen.

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Im Gespräch, Donnerstag, 30. März 2006, 21:01 Uhr

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