Handwerk als solide künstlerische Basis

Franz Welser-Möst zu Gast

Er zählt zu international erfolgreichsten Dirigenten der jüngeren Generation: Franz Welser-Möst, Jahrgang 1960. Seit 1995 ist er Chefdirigent in Zürich, seit 2002 Leiter des Cleveland Symphony Orchestra. In Wien bereitet er "Arabella" und den "Ring" vor.

Der 1960 in Linz geborene Dirigent Franz Welser-Möst zählt heute sicherlich zu den international erfolgreichsten Dirigenten der jüngeren Generation. Nach dem Besuch des Musikgymnasiums in Oberösterreich wollte er ursprünglich Geiger werden. Durch die Folgen eines Autounfalls im Alter von 18 Jahren war ihm dies aber nicht mehr möglich. Und so beschloss er, sich als Dirigent ausbilden zu lassen.

Ein wichtiger Begleiter auf dem Weg dorthin war Balduin Sulzer. Franz Welser-Möst dirigierte zuerst das Linzer Jeunesse-Orchester und erhielt bald Einladungen in die Schweiz und nach Schweden. 1986 dirigierte er erstmals die Londoner Philharmoniker, als deren Chef er auch von 1990 bis 1996 tätig war. Ab 1995 wurde er nach Zürich verpflichtet und ist dort als Chefdirigent sehr erfolgreich. Seit 2002 ist Welser-Möst auch Leiter des Cleveland Symphony Orchestra, bei dem er bis 2012 verpflichtet ist.

Zürich, die beste Entscheidung

"Ich hatte viel Glück in meinem Leben, wobei man dies nicht immer auf dem ersten Blick als solches erkennen mag. So zum Beispiel mein schwerer Autounfall, durch den ich gezwungen war, mir etwas anderes zu suchen. Auch meine Londoner Zeit war schwierig, wie es jemand so treffend beschrieben hat: Das große Haifischbecken", erzählt Welser-Möst.

Als seine beste künstlerische Entscheidung bezeichnet der erfolgreiche Dirigent seine Entscheidung für Zürich.

Solides Handwerk als Basis

"Als ich zu dirigieren begann, herrschte allgemein die Ansicht: nur ja nicht in den Orchestergraben steigen, denn dort macht man keine Karriere! Aber dabei ist dies das Wichtigste - denn nur dort lernt man wirklich sein Handwerk", stellt Welser-Möst fest.

Im Laufe der Jahre hat sich Franz Welser-Möst ein breites Repertoire erarbeitet: "Gerade wenn man noch jung ist, ist es wichtig, jedes Feld einmal zu beackern und die verschiedenen musikalischen Sprachen, um die es hier geht, einmal kennen zu lernen. Und das lernen Sie mit 60 Jahren nicht mehr."

Über die Tücken der Oper ...

Als Franz Welser-Möst 1995 dem Ruf nach Zürich folgte, wurde er von seiner Umgebung für wahnsinnig erklärt:

"Ich habe aber genau gewusst, ich wollte immer in die Oper hinein. Und man lernt das Opernhandwerk nur, wenn man den Alltag bewältigt. Ich sage immer: wenn Oper funktioniert, ist es die schönste Kunstform, die es gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist es die grauenvollste Kunstform."

... und wie man ihnen begegnen kann

"Ich habe einmal in einer Diskussion mit einem Intendanten - es ging um einen Regisseur, den ich nicht wollte - gesagt: ich bin der Einzige im Haus, der sich diese Sache jeden Abend anschauen muss. Ich werde zwar dafür bezahlt, aber wenn ich mir das schon ansehen muss, dann möchte ich dies auch gerne tun!", schildert der Dirigent.

Über 70 Vorstellungen in Zürich

Seit 1994 hat Franz Welser-Möst in Zürich über 40 verschiedene Produktionen betreut. In seiner Funktion als Chefdirigent ab 1995 dirigierte er in jeder Saison über 70 Vorstellungen.

In Wien "Arabella" und neuer "Ring"

1987 dirigierte Franz Welser-Möst erstmals an der Wiener Staatsoper die "Italienerin in Algier" und 1988 den "Figaro". 2003 sprang er für den erkrankten Christian Thielemann mit sensationellem Erfolg in "Tristan und Isolde" ein und betreute dieses Werk auch vor wenigen Wochen.

In der nächsten Saison wird Welser-Möst in Wien "Arabella" dirigieren und bereitet gemeinsam mit Sven-Eric Bechtolf als Regisseur ab 2007 einen neuen "Ring" vor. "Ich arbeite mit Bechtolf sehr gerne zusammen, weil er ein hochmusikalischer und sensibler Mensch ist."

Wagners "Ring" als Weltentheater

"Der 'Ring' ist ein Weltentheater, dem man nie gerecht werden kann, weil er so vielschichtig ist. Man kann nur versuchen, einen Teil davon auf die Bühne zu bringen. Und versuchen, das Geheimnis, das dieses Werk umgibt, zu lassen. Wir werden uns bemühen, tiefere Schichten dieses Stückes erahnbar zu machen", so Welser-Möst.

"Staatsoper wurde mir nicht angeboten"

Im Rahmen des Gesprächs mit Walter Gellert werden auch die anstehenden Besetzungen von Staats- und Volksopern-Direktion beleuchtet.

"Wien ist eine theaternärrische Stadt, es gibt zurzeit viele Spekulationen, aber wir können doch nicht über etwas sprechen, was mir nicht angeboten wurde. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die spekulieren. Wenn mir etwas angeboten wird, dann kann ich mir das überlegen. Ich kann nur sagen, die Staatsoper ist mir nicht angeboten worden. Deshalb kann ich darüber auch nichts sagen!"

Volksoper benötigt eigene Identität

Auch zur Situation an der Volksoper hat Franz Welser-Möst eine klare Meinung:

"Man muss die Theater von den Verantwortlichen her klar in ihren Aufgabenbereichen definieren. Es ist ganz wichtig für die Volksoper, dass sie eine eigene Identität hat. Die Volksoper hat einen anderen Anspruch zu erfüllen als die Salzburger Festspiele oder Mörbisch. Aber das muss vorher klar formuliert werden - und ist dann umzusetzen", stellt der Dirigent fest.

Hör-Tipp
Opernwerkstatt, Sonntag, 2. April 2006, 15:06 Uhr

Links
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