Homer war ein Rindfleischkoch
Gesegnete Mahlzeit
In der Großküche der Weltliteratur von Homer bis Beckett duftet es nach Salbei, Thymian und frisch gehackter Petersilie, nach wallenden Fischfonds, geschmorten Braten und lauwarmen Mehlspeisen. Auch die Bibel lockt mit kulinarischen Verführungen.
8. April 2017, 21:58
Wer würde heute Habicht, Häher, Wiesel, Molch oder Maulwurf essen? Zweifellos haben Moses Speiseverbote Im Alten Testament einen mindestens so nachhaltigen Erfolg gehabt, wie die zehn Gebote, die er vom Berg Sinai mitgebracht hat.
Aus dem Buch der Bücher steigen durchaus verlockende Düfte in die Nase des Lesers und der Leserin, und damit ist nicht der folgenschwere Apfelverzehr im Paradiesgarten gemeint. Das Gelobte Land lockt mit kulinarischen Verführungen.
Eine gastrosophische Lektüre der Bibel bietet für Vegetarier und für Fleischesser zahlreiche lukullische Genüsse. Schon die Genesis tischt dem Bibelkundigen jene Speise auf, ohne die der Gulaschsaft wohl nur eine halbe Sache wäre: Brot.
Davids Speiseplan
Und welche Kost kräftigt David, bevor er den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder besiegt? Wein, Schaffleisch, Röstkorn und Rosinenkuchen. Später heiratet David die zur Witwe gewordene Abigail. Dass Liebe und Literatur durch den Magen gehen, lehrt also schon das Alte Testament.
Weiters ist zu vermuten, dass in den Bücherregalen heutiger Ernährungsexperten eher Exemplare der Heilige Schrift als die Homerischen Epen stehen. Denn Fisch, Geflügel und vor allem Gemüse, die in der Bibel aufgetischt werden, finden sich auf dem Speiseplan der griechischen Helden nicht. Immerhin wird als Nachspeise Obst gereicht.
Der Rindfleischkoch Homer
Homer ist im Großen und Ganzen ein Rindfleischkoch, ein Freund des Tafelspitzes war der blinde Sänger allerdings nicht. Das Fleisch ist bei ihm niemals gekocht, immer gebraten, stark gesalzen und schön fett.
Beim Bankett des Achilleus werden aber auch Ziege, Schaf und Mastschwein verzehrt. Die Wächter der guten Tischmanieren dürften mit Homer übrigens auch keine Freude haben, denn gegessen wird natürlich mit den Händen.
Essen, nicht nur zur Sättigung
Homer, der Ahnherr der abendländischen Literatur, setzt den Leser genau darüber in Kenntnis, was Essen seinen Griechen bedeutet hat. Schon vor fast drei Jahrtausenden wurde nicht nur zur bloßen Sättigung gegessen. In der "Ilias" und "Odyssee" wird im Hexametervers zu offiziellen Anlässen geschmaust.
Modern ausgedrückt handelt es sich um Arbeitsessen oder Abschlussbanketts. Die homerischen Helden schwingen politische Tischreden, manch einer muss beim Essen auch einen Rechenschaftsbericht abgelegen.
Werden die Götter beim Opferdienst vor der Eröffnung der Schlacht angerufen, geht das zumeist nicht ohne einen Braten ab. Geht es heute bei olympischen Wettbewerben um die sinnbildliche Wurst, so ist das in der "Odyssee" durchaus wörtlich zu nehmen.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 16. November bis Donnerstag, 19. November 2009, 9:05 Uhr