Ein Theaterleben für die Aufmüpfigkeit
Der Gaukler der Nation
Als clownesker Herold der Volkskultur ist Dario Fo aus Italiens Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts nicht wegzudenken. Am 24. März feierte der Possen reißende Literaturnobelpreisträger seinen 80. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
Der italienische Volksdramatiker, Possenreißer, Schauspieler und Pantomime Dario Fo wurde am 24. März 80 Jahre alt.
Der große Satiriker, der 1997 zur Verwunderung der literarischen Welt den Nobelpreis erhielt, hat zuletzt durch eine skandalumwitterte und überaus erfolgreiche Berlusconi-Parodie von sich reden gemacht.
"Wir sind Flegel!"
Lausbübisch, vulgär und possenhaft kommen Dario Fos Theaterabende daher - ganz nach dem Geschmack der breiten Masse der italienischen Arbeiterschaft. Doch hinter der Maske des Hanswurst steckt ein passionierter Humanist, der mit Scharfblick tagespolitische Themen aufwirft, dem Bürgertum mit grotesken Satiren zu Leibe rückt und den Ausgebeuteten und Unterdrückten Perspektiven vermittelt.
Seine Bereitschaft, die Mächtigen zu verhöhnen, brachte Fo das zweifelhafte Prestige ein, mehrmals auf offener Bühne verhaftet zu werden. Selbst zahlreiche Prozesse konnten ihn jedoch nicht zum Schweigen bringen. "Satire ist das schlechte Gewissen der Macht. Wer auch immer regiert, er wird automatisch zur Zielscheibe der Satire", definiert Fo sein Berufsethos.
Die Kunst des Fabulierens
Dario Fo wird 1926 in der Lombardei als Sohn einer Bäuerin und eines Bahnhofvorstehers geboren, die ihn schon in früher Kindheit als Kurier im anti-faschistischen Widerstand einsetzen. Von seinem Großvater, einem Fischer, Glasbläser und weithin bekannten "Fabulatore", wird ihm sehr früh die in den italienischen Volkserzählungen transportierte, tatfreudige Untergrundkultur eingeimpft.
Nach Architekturstudium und Partisanenzeit engagiert sich Dario Fo als Schauspieler an den Mailänder Kleinbühnen für die "Demokratisierung der Theaterkunst" und heiratet die Revueschauspielerin Franca Rame. Das Paar zieht mit politischen Possen durch die Provinz und wird bald zum bekanntesten italienischen Theatermacher-Duo.
Frohsinn und Leidenschaft
Über 70 Theaterstücke schreiben Dario Fo und Franca Rame, die mit ihrer Theatergruppe "La Comune" in einer Mailänder Gemüsehalle Quartier beziehen. Fo verkörpert auf der Bühne skurrile Politiker, lüsterne Päpste und Trunkenbolde.
Indem er Gauklerspäße, Revueeinlagen, sowie Elemente der Commedia dell´arte und des Absurden Theaters vermischt, wird Dario Fo zur Gallionsfigur der modernen Farce und des politischen Theaters.
Zur allgemeinen Überraschung erhält er 1997 den Literaturnobelpreis - das Komitee würdigt damit die politische und soziale Theaterarbeit eines Schriftstellers, der "in der Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder aufrichtet."
Bissige Berlusconi-Satire
Eine eindrucksvolle Angriffsfläche für satirische Machtgeißelung bietet selbstredend Silvio Berlusconi. Um allerdings nicht am laufenden Band von den sich überschlagenden politischen Eskapaden des Staatschefs überholt zu werden, hat sich Dario Fo ein absurdes Theaterstück einfallen lassen, mit dem er abseits der Tagesaktualität auf provokante Weise Stellung nimmt.
In "Der anormale Doppelkopf" wird Silvio Berlusconi nach einem terroristischen Anschlag eine Gehirnhälfte von Vladimir Putin implantiert. Aus zwei negativen Kräften entsteht so eine positive - und der Polit-Tycoon wird plötzlich zum besonnenen Staatsmann.
"Wettstreit zweier Berufskomiker"
...bezeichnete der Theatermacher seine permanenten Auseinandersetzungen mit Berlusconi. Dario Fo und Franca Rame füllten mit ihrem 2004 uraufgeführten Zwei-Personen-Stück "Der anormale Doppelkopf" die Theatersäle in ganz Italien. Wie zu erwarten, landeten sie vor Gericht. Senator Marcello dell´Utri klagte sie wegen Ehrverletzung auf eine Million Euro - er wollte es nicht auf sich sitzen lassen, dass Fo in der Öffentlichkeit aus seinem Leumundszeugnis vortrug.
Dennoch, meint Fo augenzwinkernd, sei es eine fruchtbare Zeit für Satiriker: "Gaukler und Komiker liegen im Trend. Einige schaffen es sogar bis in die höchsten Regierungsämter."
Mehr zu Dario Fo in Ö1 Inforadio und zu Silvio Berlusconi in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Die Hörspiel-Galerie, Samstag, 25. März 2006, 14:00 Uhr
Links
Nobelpreis Gesellschaft - Dario Fo
Die Zeit - Interview Dario Fo