Spekulantensteuer als Geldquelle für gute Zwecke?

Tobin-Steuer als EU-Rettungsanker?

Es ist zu schön, um wahr zu sein: Spekulanten werden zur Kasse gebeten, die Steuereinnahmen sind für gute Zwecke, und von alldem sollen die Bürger nichts spüren. Auch die Wirtschaft soll keinen Schaden haben.

Wilfried Stadler und Klaus Liebscher zur geforderten Steuer

Der Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin hat vor 30 Jahren vorgeschlagen, die internationale Devisenspekulation durch eine Steuer zu bremsen. Geldflüsse bremsen will man zwar nicht mehr, aber Spekulanten besteuern klingt gut: Globalisierungsgegner wollen so Geld für die Armen der Welt auftreiben. Während von Seiten der Regierung und Opposition viele in einer Spekulantensteuer auch eine mögliche Geldquelle für die EU sehen, gibt es seitens der Wirtschaft mehrere Vertreter, die sich vehement dagegen aussprechen.

Zeit zum Handeln

Bundeskanzler Schüssel hat zuletzt am 18. Jänner vor dem EU-Parlament in Strassburg eine EU-Steuer verlangt und dabei neuerlich eine Besteuerung von Finanztransaktionen ins Spiel gebracht. Schon vorigen Sommer und zuletzt im Dezember hat Schüssel eine solche Steuer vorgeschlagen.

SPÖ und Grüne fordern das auch, und Attac, eine globalisierungskritische Nicht-Regierungs-Organisation, betont ebenso, jetzt sei die Zeit zum Handeln gekommen. Sie trägt die Forderung nach einer Besteuerung von Finanztransaktionen bereits in ihrem Namen: "A-ssociation pour une T-axation des T-ransactions financières pur l'Aide aux C-itoyens“.

Was sagt der Erfinder?

Der 2002 verstorbene Wirtschaftswissenschaftler James Tobin selbst hat zu einer Steuer und zu den Plänen speziell von Attac bereits im September 2001 in einem Gastkommentar für die Financial Times Deutschland Stellung bezogen. Darin heißt es:

Mein Hauptziel bei der 'Tobin-Tax' war, ein gewisses Maß an nationaler Autonomie der einzelnen Zentralbanken in der Geldpolitik zu wahren. Marktmechanismen und Spekulation neigen dazu, in jeder Währung der Welt die Zinssätze an den Geldmärkten gleich zu halten. Das hindert Zentralbanken, ihre Geldpolitik an die Erfordernisse im eigenen Land anzupassen. Da diese Spekulation wiederholte Transaktionen erforderlich macht, kann eine Steuer Abhilfe schaffen. Bei einem einmaligen Transfer ist eine Steuer von 0,05 Prozent zu vernachlässigen, aber wenn man sie einmal pro Woche bezahlen muss, weil die Spekulation häufige Transaktionen erforderlich macht, senkt sie die jährliche Rendite um 2,5 Prozentpunkte. Dieser Puffer lässt der Zentralbank Spielraum für die Geldpolitik"

Steuereinnahmen der Hauptreiz

Von Anfang an hatte James Tobin eine weltweite Devisensteuer im Auge - einzuheben vom Internationalen Währungsfonds. Das Geld sollte der Weltbank zur Verfügung gestellt werden. Als damals die Globalisierungsgegner den Wirtschaftsnobelpreisträger vor ihren Karren spannten, hat sich Tobin heftig gewehrt:

"Mit diesen Bewegungen habe ich nichts zu tun, und ich bin nicht über deren Forderungen informiert. Ich habe allerdings keinerlei Kontrolle über die Verwendung des Begriffs 'Tobin-Tax'. Ich gehe zwar davon aus, dass es die meisten Befürworter gut meinen, aber ich verabscheue die Extremisten unter ihnen. Mein Hauptanliegen war nie, Steuereinnahmen zu erzeugen. Ich habe vielmehr darauf abgezielt, den Umfang der besteuerten Transaktionen zu verringern. Doch die Einnahmen sind es vielleicht, die für die begeisterten Anhänger der 'TobinTax' den Hauptreiz ausmachen, verbunden mit der fehlgeleiteten Vorstellung, dass dies einem Schlag gegen die angeblichen Übel der Globalisierung gleichkäme", sagte Tobin.

Die Befürworter einer Steuer

Realisiert worden ist die Tobin-Steuer nie. Trotzdem geht offenbar ein unmittelbarer Reiz von einer Steuer auf Devisentransaktionen aus - einer Steuerquelle, die nach Ansicht der Befürworter die Richtigen trifft und dabei weder die Bürger erbost, noch der Wirtschaft schadet. Auch Wilfried Stadler, Herausgeber der Furche und Chef der Investkredit AG, tritt für eine solche Steuer zur Finanzierung der EU ein. Allerdings soll seiner Ansicht nach der Steuersatz nur 0,01 Prozent ausmachen, also nur ein Fünftel dessen, was James Tobin vorgeschlagen hat. Ein so geringer Steuersatz würde kaum einen Devisenhändler zum Ausweichen auf andere Finanzplätze veranlassen, glaubt Stadler. Allerdings müsste politisches Einvernehmen darüber hergestellt werden, dass die gesamte europäische Devisenhandelszone mitmacht, und nicht nur die Euro-Zone, also vor allem Großbritannien und die Schweiz. Die EU könnte so 15 bis 18 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen, meint Stadler.

Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister geht noch einen Schritt weiter: Der Devisenhandel sei nicht zu fassen, weil Devisengeschäfte nicht nur an Börsen, sondern auch direkt zwischen Handelspartnern abgewickelt würden, betont er: "An den Börsen soll angesetzt werden; dort kann die Steuer, die nur ein Promill betragen soll, leicht eingehoben werden. Aber nicht nur Devisentransaktionen sollen besteuert werden, sondern alle Finanztransaktionen, also auch der Aktienhandel und derivative Finanzgeschäfte wie zum Beispiel Termingeschäfte". Schulmeister sieht dabei keine Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

Die vehementen Gegner

Strikte Ablehnung kommt hingegen vom Obmann der Kreditsektion in der Wirtschaftskammer, Walter Rothensteiner, dem Chef der Raiffeisen Zentralbank. Schon die Einhebung der Kapitalertragssteuer sei eine große Belastung für die Banken, sagt Rothensteiner. Die Einhebung einer Transaktionssteuer würde allein die österreichische Kreditwirtschaft hunderte Millionen Euro kosten. Und jede international tätige Bank würde auf andere Finanzplätze ausweichen, wo die Steuer nicht eingehoben werde.

Auch der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Klaus Liebscher, warnt alle Wirtschaftspolitiker vor einer Steuer auf Devisentransaktionen: Es sei seit Jahrzehnten die Politik in Europa, durch möglichst niedrige Transaktionskosten die Geldflüsse und damit die Investitionsmittel für die Wirtschaft möglichst kostengünstig zu gestalten. Eine Steuer auf Devisentransaktionen sei kontraproduktiv und schade dem Wirtschaftsstandort Europa, argumentiert der Nationalbank-Gouverneur.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 17. März 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Links
Investkredit AG
Wirtschaftsforschungsinstitut
Österreichische Nationalbank
Raiffeisen Zentralbank
Attac Austria