Der Preis macht den Wert?
Immer billiger
Es ist schon Prinzip geworden, nicht viel zu zahlen. Billiger ist immer, muss immer möglich sein. Gleich, ob es sich um einen Liter Milch, oder um ein handgefertigtes Klavier handelt. Was bedeuten flexible Preise für den Wert des Gegenstandes?
8. April 2017, 21:58
"Ein Mangel an geistiger Bewältigung einer Gegenwart ist doch, dass ich heute einem Preis- oder Wertgefüge in keiner Weise mehr trauen kann. Ich weiß eigentlich nicht mehr, was die Dinge wert sind. Ich weiß eigentlich nicht mehr, in welcher korrekten Form Preise zustande gekommen sind", sagt der Soziologe Reinhold Knoll.
Die Preise um uns herum sind in der Tat schwer zu erklären. Wie kann es sein, dass ein und dasselbe Produkt an unterschiedlichen Tagen verschiedene Preise hat - und zwar nicht nur im Rahmen zu erwartender Marktschwankungen, sondern gleich halb, oder doppelt so teuer?
Zahl eins, nimm zwei!
"Greifen Sie zu: 50 Prozent gratis, zahl zwei nimm drei, bekommen Sie mehr fürs Geld", Einkaufen, ohne Angebote und Werbeslogans wie diese, ist schwer vorstellbar geworden. Nicht nur der Handel lockt, der Kunde fordert auch. Es ist selbstverständlich, dass bei dem Preis "noch etwas geht", und zwar nach unten. Jedem Preis wird misstraut.
Der Wert und der Preis
Das gilt für den Liter Milch im Supermarkt um die Ecke ebenso, wie für weniger alltägliche Dinge. Klaviere, zum Beispiel: "Es ist schon Prinzip geworden, nicht viel zu zahlen. Das läuft einfach so. Man gibt einfach nicht mehr Geld aus, auch wenn man es sich leisten kann. Ich hab' oft Kunden, die mit dem Jaguar vorfahren, und sagen, mein Kind lernt jetzt Klavierspielen, ich will aber nicht mehr als dreihundert Euro ausgeben. Wir versuchen dann den Kunden doch irgendwie auf ein E-Piano von 500 Euro zu bringen, wobei dann teilweise die Leute schon nach Teilzahlung fragen. Aber es steht der Jaguar draußen. Sie können mehr, aber sie wollen nicht", sagt Martin Kolonovics, Pianist und Klavierverkäufer.
Produzenten unter Druck
Die Werbesprüche, die unsere Postkästen verstopfen, mit dem Geiz und dem Blödmann, und die Hochglanzprospekte mit fantastischen Rabatten auf so gut wie alles, sind längst Alltag geworden.
"Diese Billigkaufen ist natürlich ein Problem, weil es die Produzenten so furchtbar unter Druck bringt. Und es stellt sich die Frage, zu welchem Preis zum Beispiel ein Winzer, oder selbst ein großer Weinbauer wirklich einen ordentlichen Wein herstellen kann. Also für drei Euro mit Korken und Flasche und Verpackung geht das nicht. Und genau das gleiche gilt für andere Produkte: Welchen Preis muss ein ordentlich gehaltenes Huhn haben? Oder Rindfleisch, und so weiter. Hier sind wir in einer Entwicklung, die wahrscheinlich irgendwann kippen wird.
Für wenig Geld viel Wert?
Dass Qualität nicht zu Dumpingpreisen zu haben ist, wusste der englische Schriftsteller und Sozialkritiker John Ruskin schon vor über hundert Jahren:
Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und ein wenig billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es auch unklug zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen für das Risiko, das sie eingehen, etwas hinzurechnen. Wenn Sie dies tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres mehr zu bezahlen.
Hör-Tipp
Moment, Dienstag, 28. Februar 2006, 17:09 Uhr
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