Wenn Schüler aussteigen
Keinen Bock auf Schule
Schulangst, Schulmüdigkeit, Schulstress - etwa ein Fünftel aller Schüler haben keine Lust oder Probleme damit, am Unterricht teilzunehmen. Jeder 10. österreichische Schüler, jede 10. österreichische Schülerin beendet die Schulkarriere vorzeitig.
8. April 2017, 21:58
Es ist Halbzeit an Österreichs Schulen. Rund 46.000 Schüler werden das laufende Schuljahr nicht positiv beenden. Knapp 10 Prozent werden die Schulausbildung vorzeitig abbrechen. Wie Mario Hofer - er ist in der 6. AHS-Klasse ausgestiegen und arbeitet seither als Lehrling im Lebensmittelhandel. Dem Schulabbruch ging eine längere Phase des schulischen Mißerfolgs voraus - war der heute 18-jähige in der sechsten Gymnasialklasse noch "Durchschnitt", so verschlechterten sich seine Schulnoten bis zum Ende der sechsten Klasse drastisch. Das Sitzenbleiben erlebte er als vergeudetes Jahr, er schwänzte mehr und mehr Schulstunden, bis kein Weiterkommen mehr möglich war.
Mehr Schule - weniger Motivation
Österreichs Schüler haben wenig Lust am Lernen in der Schule. Das zeigt eine Studie, die im Jahr 2002 vom Insitut für Psychologie an der Universität Wien durchgeführt wurde. Anhand von Parametern wie etwa Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, Streben nach Kompetenz und Interesse an der Schule wurde nachgewiesen, dass die Motivation der Schüler im Lauf der Ausbildungszeit stetig abnimmt.
Ab der 5. Schulstufe steigen Schulangst und Stress. Die Schule als Lernort wird mit der Fortdauer der Ausbildung negativer wahrgenommen: Während in der 4. Schulstufe noch 60 Prozent der Schüler gerne in die Schule gehen, gilt dies für kaum noch 30 Prozent der Schüler in der 8. Schulstufe und für nur mehr knapp 20 Prozent der Schüler in der 11. Schulstufe. Statistisch erwiesen ist auch, dass die Notendurchschnitte während der Schullaufbahn kontinuierlich schlechter werden.
Vom Schulfrust zum Schulabbruch
"Es gibt keine unmotivierten Schüler, sie sind oft nur nicht für die Schule motivierbar", meint die Bildungspsychologin Petra Wagner. Und weiter: "Jeder Mensch möchte von seinem Umfeld - von Mitschülern, Eltern und Lehrern - Akzeptanz erfahren. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der Selbstwert bedroht und es kann keine positive Lernmotivation aufgebaut werden."
Viele Schüler gerieten so in eine Abwärtsspirale, meint Petra Wagner. Sie erleben während der Schullaufbahn belastende Lernsituationen, sind dadurch in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt, was die Schulängste erhöhen kann. Diese beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit, was wiederum zu massiven Krisen bis hin zu Schulverweigerung und Schulabbruch führen kann.
Mehr Arbeit - weniger Erfolg
Während die Arbeitszeit der Schüler kontinuierlich über die Schullaufbahn hinweg ansteigt, verschlechtert sich der Notendurchschnitt mit fortschreitender Schulzeit.
Für Bildungsexpertin Petra Wagner liegt ein Grund dafür in der Misserfolgsorientierung unseres Schulsystems. Gerade das Sitzenbleiben scheint im Allgemeinen wenig effektiv zu sein. So legen Untersuchungen nahe, dass Sitzenbleiber weiter zurückbleiben, und das auch im Vergleich mit leistungsschwachen Kindern, die in die nächsthöhere Klasse aufsteigen durften.
"Ziel des Lernens sollte die individuelle Kompetenzerweiterung sein", meint Petra Wagner. Und weiter: "Nicht die Note darf im Mittelpunkt stehen, sondern die individuellen Fortschritte. (...) Es geht darum, motivationsförderliche Rückmeldungen zu geben, Feedback für Leistungen als Hilfe zu sehen und nicht als Bedrohung."
Hör-Tipp
Moment, 23. Februar 2006, 17:09 Uhr
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