Einblicke in eine versunkene Gesellschaf
Beredte Wolkenmenschen-Mumien
Zwölf Mumien der Chachapoya-Inka aus dem Nordosten Perus waren gut zweieinhalb Monate im Technischen Museum in Wien zu sehen. Parallel zu der Ausstellung wurden die Überreste von mehreren österreichischen Universitäten wissenschaftlich untersucht.
8. April 2017, 21:58
Die Mumien der Chachapoya-Inka gelten als einer der sensationellsten archäologischen Funde im Andengebiet, sie stammen aus einer Zeit, aus der es keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gibt. Von ihrer Untersuchung erhoffen sich österreichische und peruanische Wissenschaftler neue Einblicke in das Leben der Andenbevölkerung vor der Eroberung durch die Spanier.
Drei Monate intensive Mumienuntersuchung zeigten auch schon erste Erkenntnisse. Ein Kernstück dieser wissenschaftlichen Begleituntersuchung war es, die verschnürten Mumien, ohne sie irgendwie zu verändern, in eine Computertomographie-Röhre zu legen und so virtuelle 3D-Modelle der Toten anzufertigen.
Neue Erkenntnisse
So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass der Eroberungszug der Inka in den Nordosten Perus deutlich früher stattgefunden haben dürfte, als bisher angenommen, nämlich schon Ende des vierzehnten, Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts.
Ein Vorteil bei den Untersuchungen war, dass nicht nur ein Individuum untersucht werden konnte, sondern zwölf Mumien. So konnte man ein immer detailierteres Bild der Chachapoya-Gesellschaft entwerfen.
Ansteckende Infektionskrankheiten
Medizinische Untersuchungen zeigten zum Beispiel, dass es in dieser Kultur ansteckende Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose gab, die sicher viele Probleme in diesem Volk verursacht hat und bestimmt eine wichtige Todesursache war. Die Tuberkulose war unter den Chachapoya-Inka also keine Seltenheit und kam somit schon auf dem südamerikanischen Kontinent vor, bevor er durch die Spanier und Portugiesen erobert wurde.
Die medizinischen Untersuchungen konnten auch teilweise die Frage klären, wie die Chachapoya-Inka ihre Toten eigentlich mumifizierten, denn im Gegensatz etwa zu den ägyptischen Mumien sind bei denen der Wolkenmenschen-Inka manche innere Organe erhalten. Die genauen Details des Mumifizierungsprozesses geben den Wissenschaften allerdings bis heute Rätsel auf, sagt Herwig Imhof, Leiter der Universitätsklinik für Radiodiagnostik in Wien.
Rätselhafte Mumifizierung
Man weiß dass, die Chachapoya-Inka die inneren Organe durch den Anus entfernten. Zumindest bis in die Höhe des Zwerchfells. Alle Organe die darüber lagen, also Herz und Lunge, blieben in der Leiche. Der Bauchraum wurde mit Baumwolle gefüllt danach die Haut getrocknet. Dann wurde der Körper eingekleidet und schließlich in ein Tuch gewickelt und verschnürt.
Auf Grunde der beschränkten technischen Möglichkeiten kam es bei diesem Vorgang aber manchmal zu Beschädigungen im Zwerchfellraum und der darüber liegenden Organe.
Zahnuntersuchungen
Die Chachapoya waren für ihren Koka-Anbau und -Konsum berühmt, die Spuren davon können die Wissenschaftler heute an den Zähnen der Mumien nachweisen, eine für den Koka-Gebrauch typische Paradontose. Koka war wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum die Inka die Chachapoya unbedingt erobern wollten.
Erst der Beginn der Forschung
Die computertomographischen Untersuchungen der Mumien in Wien waren aber erst der Anfang der Untersuchungen. Im Laboratorium VERA der Universität Wien wird weiter daran gearbeitet, mithilfe der Radiocarbonmethode festzustellen, wie alt genau die Mumien eigentlich sind - die Chachapoya und später Chachapoya-Inka besiedelten den Nordosten Perus über fünf Jahrhunderte lang vor zwischen ungefähr 1000 und 500 Jahren.
An der Universität Innsbruck wird an Proteinproben gearbeitet, die weiteren Aufschluss über Krankheiten und Lebensart geben könnten. DNA-Untersuchungen sind in Vorbereitung.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 9. August 2006, 19:05 Uhr
Download-Tipp
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Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung, "Das Geheimnis der Wolkenmenschen", Samstag, 12. August bis Samstag, 11. November 2006, Südtiroler Archäologiemuseum, Museumstraße 43, Bozen
Link
Südtiroler Archäologiemuseum