Der König und die Femme fatale
Das Beben
"Das ist ein Buch, das wollte auf die Welt kommen und es ist auf sehr natürliche Weise gewachsen", sagt Martin Moselbach über seinen neuen Roman, die eine Liebesgeschichte zum Inhalt hat. Die Hauptfiguren sind ein König und eine Femme fatale.
8. April 2017, 21:58
In der Wohnung eines Architekten trifft der Erzähler auf eine ganz besondere Frau, die ihn nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. So beginnt der neue Roman des Frankfurter Autors Martin Mosebach mit dem Titel "Das Beben". Manon, so der Name der geheimnisvollen Schönen, ist die klassische Femme fatale: verführerisch und undurchschaubar, umschwärmt und begehrt. Sie wird die Geliebte des Erzählers, aber schon bald findet er heraus, dass sie nach wie vor ein Verhältnis mit einem berühmten Künstler unterhält. Und so flüchtet der betrogene Liebhaber, nimmt einen Auftrag an, der ihn in ein kleines indisches Königreich führt, wo er den Palast zu einem modernen Hotel umgestalten soll.
Autor Martin Mosebach hat selbst längere Zeit in Südindien verbracht und aus seinen dortigen Eindrücken den Stoff für seine Roman gewoben: "Für mich war das Faszinierende, dass ich in Indien zunächst glaubte, eine ganz andere Welt zu erleben", erzählt er. "Und dann fand ich dort eine Welt vor, die sehr, sehr viel mit unserer Welt gemeinsam hatte, vor der industriellen Revolution."
Kein Vergessen
Mosebachs Protagonist kann Manon freilich auch in der fremdartigen Umgebung nicht vergessen. Während er mit dem König und dessen Hofstaat lebt, bleibt ihm das Bild seiner treulosen Geliebten allgegenwärtig.
Dies Bild lebte eigentlich auch gar nicht in meinem Inneren, es überwölbte mich gleichsam, auch während ich jetzt mit den Neuankömmlingen in der Halle saß, wie das Mosaik einer göttlichen Maske in einer goldenen Kuppel. Manon würde immer gegenwärtig sein, wie ich deutlich fühlte, aber dieses "Immer" nahm in diesem Augenblick auch etwas von der Spannung weg; was immer da war, würde nicht verschwinden, wenn man seine Aufmerksamkeit auch einmal etwas anderem schenkte.
Im Bann des Königs
Eines Tages steht Manon leibhaftig vor ihm, denn sie ist ihm nach Indien gefolgt. Alle Träume des Erzählers scheinen wahr zu werden - bis Manon sich unvermittelt dem König zuwendet. Dieser König spielt die dritte große Rolle in Mosebachs Roman, ein Herrscher in einer anachronistischen Monarchie, deren Verfall überall spürbar ist. Ganz bewusst zeichnet der Autor den König als Archetypus: "Mich hat interessiert, was bleibt von der Monarchie, wenn ihre historischen, politischen Elemente weg gefallen sind? Meistens bleibt gar nichts. Aber hier blieb ein psychologischer Typus. Es blieb der König als Archetypus."
Diese Figur des Königs ist der Dreh- und Angelpunkt, um den die anderen Figuren kreisen. Wohl stellt Mosebach dem König eine ansatzweise demokratische Bewegung gegenüber, dennoch ist sein Roman keine politische Betrachtung. Zuallererst handelt es sich um eine Liebesgeschichte, eine schwierige und doppelbödige Liebesgeschichte mit einer Frauengestalt, die nicht umsonst den Namen Manon trägt, als Reminiszenz an die berühmte literarische Figur Manon Lescaut.
"Mir ging es darum, dieser außergewöhnlichen Königsfigur eine ebenso außergewöhnliche Frauenfigur an die Seite zu stellen", sagt Mosebach. "Was der König als Mann ist, sollte die Frau als Frau sein, also verzaubert, entrückt."
Literatur aus vergangener Zeit
Das alles erzählt Mosebach auf eine langsame und sehr weitschweifige Art. Über 200 Seiten hinweg lässt er seinen Protagonisten durch das Königreich streifen, ehe Manon in Indien erscheint, er erzählt vom König und seinen Beratern und das in einem seltsam zeitlosen Stil.
Irgendwie erscheint Mosebachs Roman wie ein Stück Literatur aus vergangener Zeit, in seiner Langsamkeit und mit seinen ausschweifenden Beschreibungen. Der Leser muss für das Buch einige Geduld aufbringen und sich ganz auf Mosebachs Erzählweise einlassen, um die dahinter liegenden sprachlichen und inhaltlichen Schönheiten zu entdecken und das "Beben der Herzen", das der Autor im Titel andeutet, nachvollziehen zu können.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipp
Martin Mosebach, "Das Beben, Hanser Verlag, ISBN 3446206612